Dramen
davon entfernt, Sie für krankhaft oder unnatürlich veranlagt zu halten. Aber wissen Sie, mein Fräulein, wodurch Sie Ihre, wie Sie zugeben, allerdings sehr schwachen sinnlichen Empfindungen befriedigt haben?
Elfriede
Nun?
Casti Piani
Durch Ihren Eintritt in den Internationalen Verein zur Bekämpfung des Mädchenhandels.
Elfriede
mit verhaltenem Ingrimm
Wer sind Sie, mein Herr?! – Ich komme hierher, um ein unglückliches Geschöpf aus den Krallen des Lasters zu befreien! Ich komme nicht hierher, um Ihre geschmacklosen Vorlesungen anzuhören.
Casti Piani
Das habe ich auch nicht vorausgesetzt. Aber sehen Sie, von diesem Standpunkt aus betrachtet, stehen wir beide einander näher, als Sie es sich in Ihrem kleinbürgerlichen Tugendstolz jemals träumen ließen. Ihnen hat die Natur nur eine äußerst kärgliche Sinnlichkeit verliehen. Mich haben die Stürme des Lebens längst zu einer schauerlichen Einöde gemacht. Aber was für Ihre Sinnlichkeit die Bekämpfung des Mädchenhandels ist, das ist für meine Sinnlichkeit, falls Sie mir etwas der Art noch zugestehen wollen, der Mädchenhandel selbst.
Elfriede
empört
Heucheln Sie doch nicht so schamlos, Sie nichtswürdiger Mensch! Glauben Sie, Sie könnten mich, die ich wie eine gehetzte Hündin von Lasterhöhle zu Lasterhöhle hinter dem Geschöpf her bin, durch Ihren abenteuerlichen Gefühlshokuspokus einschläfern?! Ich bin jetzt nicht Mitglied des Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels! Ich bin als eine unselige Verbrecherin hier, die, ohne etwas zu ahnen, ein blutjunges Leben in Elend und Verzweiflung gebracht hat! Ich lasse mir, solang ich atme, keinen Bissen mehr schmecken, wenn ich das Kind seinem Verderben nicht entreißen kann! Sie wollen mich glauben machen, daß mich unlautere Neugier in dieses Haus treibt! Sie sind ein Lügner! Sie glauben an Ihre eigenen Worte nicht! Sie haben das Mädchen nicht aus unbefriedigter Sinnlichkeit verhandelt, sondern aus Geldgier! Sie haben das Mädchen verhandelt, um ein gutes Geschäft dabei zu machen!
Casti Piani
Ein gutes Geschäft! Selbstverständlich! Aber gute Geschäfte beruhen auf beiderseitigem Vorteil! Andere Geschäfte als gute mache ich überhaupt nicht. Jedes andere Geschäft ist unmoralisch! – Oder glauben Sie vielleicht, der Liebesmarkt sei für das Weib ein schlechtes Geschäft?
Elfriede
Wie meinen Sie das?
Casti Piani
Das meine ich einfach so: – Ich weiß nicht, ob Sie in diesem Augenblick gerade in der Stimmung sind, mir mit einiger Aufmerksamkeit zuzuhören?
Elfriede
Ersparen Sie sich nur um Gottes willen die Einleitung!
Casti Piani
Ich meine das also so: Wenn sich ein Mann in Not befindet, dann bleibt ihm oft keine andere Wahl mehr übrig als zu stehlen oder zu verhungern. Wenn sich dagegen ein Weib in Not befindet, dann bleibt ihm außer dieser Wahl noch die Möglichkeit, seine Liebesgunst zu verkaufen. Dieser Ausweg bleibt dem Weibe nur deshalb noch übrig, weil das Weib bei der Gewährung seiner Liebesgunst nichts zu empfinden braucht. Seit Erschaffung der Welt hat das Weib von diesem Vorzug Gebrauch gemacht. Von allem übrigen zu schweigen, ist der Mann von Natur aus dem Weibe schon aus dem einen Grunde himmelweit überlegen, weil das Weib unter Schmerzen Kinder gebiert…
Elfriede
Das ist ja gerade der himmelschreiende Widerspruch! Das sage ich ja immer! Kinder zur Welt bringen ist Qual und Sorge; Kinder in die Welt setzen gilt als Zeitvertreib. Und trotzdem hat die gütige Schöpfung, die auch sonst vielfach an Verrücktheit leidet, den Schmerz und die Sorgen dem schwächeren Geschlecht aufgebürdet!
Casti Piani
Darin, mein Fräulein, sind wir vollkommen einer Ansicht! – Und nun wollen Sie Ihren unglücklichen Schwestern den geringen Vorzug, den ihnen die – verrückte Schöpfung vor dem Manne gewährt hat, den Vorzug, in äußerster Not ihre Liebesgunst verkaufen zu können, rauben, indem Sie diesen Verkauf als eine unauslöschliche Schande hinstellen?! Sie sind mir eine schöne Frauenrechtlerin!
Elfriede
fast unter Tränen
Als ein unaussprechliches Unglück, als ein ewiger Fluch lastet die Möglichkeit, sich verkaufen zu können, auf unserem bedrückten Geschlecht!
Casti Piani
Unsere Schuld ist es aber – das weiß Gott im Himmel! – nicht, daß der Liebesmarkt als ein ewiger Fluch auf dem weiblichen Geschlecht lastet! Wir Händler haben gar kein idealeres Ziel, als daß sich der Liebesmarkt so offenkundig, so unbehelligt abspielt, wie jeder andere ehrliche
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