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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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den ersten Blick daran, daß ihre freien, regelmäßigen Gesichtszüge unschuldige Glückseligkeit und glückselige Unschuld ausstrahlen.
(Elfriede musternd)
: In Ihren Gesichtszügen, mein verehrtes Fräulein, ist weder irgend etwas von Glückseligkeit noch irgend etwas von Unschuld zu lesen.
    Elfriede
zögernd
    Glauben Sie denn nicht, Herr Baron, daß ich bei meinem eisernen Fleiß, bei meiner Energie, bei meiner unüberwindlichen Begeisterung für alles Schöne das Zartgefühl und den feinen Takt, von dem Sie sprechen, noch lernen könnte?
    Casti Piani
    Nein, nein, mein Fräulein! Bitte nein! Schlagen Sie sich diese Gedanken nur gleich aus dem Kopf!
    Elfriede
    Ich bin von der sittlichen Bedeutung alles dessen, was Sie sagen, so tief überzeugt, daß mir das größte Opfer , durch das ich meine kleinbürgerliche Hilflosigkeit überwinden könnte, nicht zu groß wäre!
    Casti Piani
    Nein, nein, dafür bin ich nicht zu haben! Das würde grauenvoll! Das Leben ist grauenvoll genug! Nein, mein Fräulein! Lassen Sie Ihre fürchterliche Hand von dem einzigen göttlichen Lichtstrahl , der die schauerliche Nacht unseres martervollen Erdendaseins durchdringt! Wofür lebe ich denn! Wofür betätige ich mich in unserer Zivilisation! Nein, nein! Die einzige reine Himmelsblume in dem von Schweiß und Blut besudelten Dornendickicht des Lebens soll nicht von plumpen Fußtritten zerstampft werden! Glauben Sie mir bitte, daß ich mir schon vor einem halben Jahrhundert eine Kugel durch den Kopf gejagt hätte, wenn nicht über dem zum Himmel emporgellenden Jammergeheul aus Geburtswehen, Daseinsschmerzen und Todesqualen dieser eine klare Stern leuchtete!
    Elfriede
    Die äußerste geistige Anstrengung ermöglicht mir nicht, den Sinn Ihrer Worte zu erraten! Was ist der Lichtstrahl , der die Nacht unseres Daseins durchdringt? Was ist die einzige reine Himmelsblume , die nicht zu Schmutz zerstampft werden soll?
    Casti Piani
Elfriede bei der Hand nehmend, geheimnisvoll flüsternd
    Das ist der Sinnengenuß , mein gnädiges Fräulein! Der sonnige, lachende Sinnengenuß! Der Sinnengenuß ist der Lichtstrahl , die Himmelsblume , weil er das einzige ungetrübte Glück, die einzige reine, lautere Freude ist, die das Erdendasein uns bietet . Glauben Sie mir, daß mich seit einem halben Jahrhundert nichts mehr in dieser Welt zurückhält, als die selbstlose Anbetung dieses einzigen aus voller Kehle auflachenden Glückes, das im Sinnengenuß den Menschen für alle Qualen des Daseins entschädigt!
    Elfriede
    Ich glaube, da kommt jemand.
    Casti Piani
    Das wird Lisiska sein!
    Elfriede
    Lisiska? – Wer ist denn Lisiska?
    Casti Piani
    Das ist das Mädchen, das bei Ihnen zu Hause die Bücher über die internationale Bekämpfung des Mädchenhandels studiert hat! Jetzt können Sie sich gleich davon überzeugen, ob ich den Mund zu voll genommen habe! Wir sind hier gottlob für solche Gelegenheiten eingerichtet.
(Er führt sie ins rechte Proszenium.)
Nehmen Sie nur hinter dieser Efeuwand Platz! Von hier aus können auch Sie einmal das lautere, ungetrübte Glück zweier Kreaturen beobachten, die der Sinnengenuß zusammenführt!
    Elfriede nimmt auf dem Hockerl hinter der Efeuwand im rechten Proszenium Platz. Casti Piani geht zur Mitteltür, wirft einen Blick hinaus und setzt sich darauf hinter der Efeuwand im linken Proszenium nieder. – Herr König und Lisiska treten durch die Mitte ein. Herr König, fünfundzwanzig Jahre alt, in hellem Sportanzug mit Kniehosen. Lisiska in einfachem, bis zur Mitte der Wade reichenden, weißen Gewand, schwarzen Strümpfen, schwarzen Lackschuhen, eine weiße Schleife im offenen schwarzen Haar.
    Herr König
    Ich komme nicht, die Zeit mir zu vertreiben
    Als Wollüstling in deiner Reize Bann,
    Und will dir dankbar und gewogen bleiben,
    Wenn bald ernüchtert ich von hinnen kann.
    Lisiska
    Reden Sie nicht so freundlich zu mir.
    Hier sind Sie Herr und befehlen hier.
    Färben Sie nur getrost mir das bleiche
    Blutleere Antlitz durch Backenstreiche.
    Für eine Dirne, wie ich es bin,
    Ist das noch unerhörter Gewinn.
    Hilfloses Klagen, Schluchzen und Wimmern
    Braucht Sie noch nicht im geringsten zu kümmern.
    Solcher Beschimpfung Wonnen sind schal.
    Häufen Sie mitleidlos Qual auf Qual!
    Wenn Ihre Faust mein Gesicht zerschlüge,
    Wär's meiner Sehnsucht noch kein Genüge.
    Herr König
    Ich bin auf solche Worte nicht gefaßt . . .
    Ist das ein heitrer Willkomm für den Gast? –
    Du sprichst, als büßtest du im Fegefeuer
    Schon hier

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