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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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erschütternde Bewußtsein, daß beide betrunken sind… Eine Ruhe, eine Zufriedenheit, Melchior –! Du brauchst mir nur den kleinen Finger zu reichen. – Schneeweiß kannst du werden, eh sich dir der Augenblick wieder so günstig zeigt!
    Melchior
    Wenn ich einschlage, Moritz, so geschieht es aus Selbstverachtung. – Ich sehe mich geächtet. Was mir Mut verlieh, liegt im Grabe. Edler Regungen vermag ich mich nicht mehr für würdig zu halten – und erblicke nichts, nichts, das sich mir auf meinem Niedergang noch entgegenstellen sollte. – Ich bin mir die verabscheuungswürdigste Kreatur des Weltalls…
    Moritz
    Was zauderst du…?
    Ein vermummter Herr tritt auf.
    Der vermummte Herr
zu Melchior
    Du bebst ja vor Hunger. Du bist gar nicht befähigt, zu urteilen. –
(Zu Moritz)
Gehen Sie.
    Melchior
    Wer sind Sie?
    Der vermummte Herr
    Das wird sich weisen. –
(Zu Moritz)
Verschwinden Sie! – Was haben Sie hier zu tun! – Warum haben Sie denn den Kopf nicht auf?
    Moritz
    Ich habe mich erschossen.
    Der vermummte Herr
    Dann bleiben Sie doch, wo Sie hingehören. Dann sind Sie ja vorbei. Belästigen Sie uns hier nicht mit Ihrem Grabgestank. Unbegreiflich – sehen Sie doch nur Ihre Finger an. Pfui Teufel noch mal! Das zerbröckelt schon.
    Moritz
    Schicken Sie mich bitte nicht fort…
    Melchior
    Wer sind Sie, mein Herr??
    Moritz
    Schicken Sie mich nicht fort! Ich bitte Sie. Lassen Sie mich hier noch ein Weilchen teilnehmen; ich will Ihnen in nichts entgegensein. – – Es ist unten so schaurig.
    Der vermummte Herr
    Warum prahlen Sie denn dann mit Erhabenheit?! – Sie wissen doch, daß das Humbug ist – saure Trauben! Warum lügen Sie geflissentlich, Sie – Hirngespinst! – – Wenn Ihnen eine so schätzenswerte Wohltat damit geschieht, so bleiben Sie meinetwegen. Aber hüten Sie sich vor Windbeuteleien, lieber Freund – und lassen Sie mir bitte Ihre Leichenhand aus dem Spiel.
    Melchior
    Sagen Sie mir endlich, wer Sie sind, oder nicht?!
    Der vermummte Herr
    Nein. – Ich mache dir den Vorschlag, dich mir anzuvertrauen. Ich würde fürs erste für dein Fortkommen sorgen.
    Melchior
    Sie sind – mein Vater?!
    Der vermummte Herr
    Würdest du deinen Herrn Vater nicht an der Stimme erkennen?
    Melchior
    Nein.
    Der vermummte Herr
    – Dein Herr Vater sucht Trost zur Stunde in den kräftigen Armen deiner Mutter. – Ich erschließe dir die Welt. Deine momentane Fassungslosigkeit entspringt deiner miserablen Lage. Mit einem warmen Abendessen im Leib spottest du ihrer.
    Melchior
für sich
    Es kann nur einer der Teufel sein! –
(laut)
Nach dem, was ich verschuldet, kann mir ein warmes Abendessen meine Ruhe nicht wiedergeben!
    Der vermummte Herr
    Es kommt auf das Abendessen an! – Soviel kann ich dir sagen, daß die Kleine vorzüglich geboren hätte. Sie war musterhaft gebaut. Sie ist lediglich den Abortivmitteln der Mutter Schmidtin erlegen. – – Ich führe dich unter Menschen. Ich gebe dir Gelegenheit, deinen Horizont in der fabelhaftesten Weise zu erweitern. Ich mache dich ausnahmslos mit allem bekannt, was die Welt Interessantes bietet.
    Melchior
    Wer sind Sie? Wer sind Sie? – Ich kann mich einem Menschen nicht anvertrauen, den ich nicht kenne.
    Der vermummte Herr
    Du lernst mich nicht kennen, ohne dich mir anzuvertrauen.
    Melchior
    Glauben Sie?
    Der vermummte Herr
    Tatsache! – Übrigens bleibt dir ja keine Wahl.
    Melchior
    Ich kann jeden Moment meinem Freunde hier die Hand reichen.
    Der vermummte Herr
    Dein Freund ist ein Scharlatan. Es lächelt keiner, der noch einen Pfennig in bar besitzt. Der erhabene Humorist ist das erbärmlichste, bedauernswerteste Geschöpf der Schöpfung!
    Melchior
    Sei der Humorist, was er sei; Sie sagen mir, wer Sie sind, oder ich reiche dem Humoristen die Hand!
    Der vermummte Herr
    – Nun?!
    Moritz
    Er hat recht, Melchior. Ich habe bramarbasiert. Laß dich von ihm traktieren und nütz ihn aus. Mag er noch so vermummt sein – er ist es wenigstens!
    Melchior
    Glauben Sie an Gott?
    Der vermummte Herr
    Je nach Umständen.
    Melchior
    Wollen Sie mir sagen, wer das Pulver erfunden hat?
    Der vermummte Herr
    Berthold Schwarz – alias Konstantin Anklitzen – um 1330 Franziskanermönch zu Freiburg im Breisgau.
    Moritz
    Was gäbe ich darum, wenn er es hätte bleiben lassen!
    Der vermummte Herr
    Sie würden sich eben erhängt haben!
    Melchior
    Wie denken Sie über Moral?
    Der vermummte Herr
    Kerl – bin ich dein Schulknabe?!
    Melchior
    Weiß ich, was Sie sind!!
    Moritz
    Streitet nicht! –

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