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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Mal vorspreche, springst du vielleicht schon wieder im Haus herum. – Leb wohl, Mutter. Ich muß durchaus noch zur Schneiderin. Behüt' dich Gott, liebe Wendla.
(Küßt sie.)
Recht, recht baldige Besserung!
    Wendla
    Leb wohl, Ina. – Bring mir Himmelsschlüssel mit, wenn du wiederkommst. Adieu! Grüße deine Jungens von mir.
    Ina ab.
    Wendla
    Was hat er noch gesagt, Mutter, als er draußen war?
    Frau Bergmann
    Er hat nichts gesagt. – Er sagte, Fräulein von Witzleben habe auch zu Ohnmachten geneigt. Es sei das fast immer so bei der Bleichsucht.
    Wendla
    Hat er gesagt, Mutter, daß ich die Bleichsucht habe?
    Frau Bergmann
    Du sollest Milch trinken und Fleisch und Gemüse essen, wenn der Appetit zurückgekehrt sei.
    Wendla
    O Mutter, Mutter, ich glaube, ich habe nicht die Bleichsucht…
    Frau Bergmann
    Du hast die Bleichsucht, Kind. Sei ruhig, Wendla, sei ruhig; du hast die Bleichsucht.
    Wendla
    Nein, Mutter, nein! Ich weiß es. Ich fühl' es. Ich habe nicht die Bleichsucht. Ich habe die Wassersucht…
    Frau Bergmann
    Du hast die Bleichsucht. Er hat es ja gesagt, daß du die Bleichsucht hast. Beruhige dich, Mädchen. Es wird besser werden.
    Wendla
    Es wird nicht besser werden. Ich habe die Wassersucht. Ich muß sterben, Mutter. – O Mutter, ich muß sterben!
    Frau Bergmann
    Du mußt nicht sterben, Kind! Du mußt nicht sterben… Barmherziger Himmel, du mußt nicht sterben!
    Wendla
    Aber warum weinst du dann so jammervoll?
    Frau Bergmann
    Du mußt nicht sterben – Kind! Du hast nicht die Wassersucht. Du hast ein Kind, Mädchen! Du hast ein Kind! – Oh, warum hast du mir das getan!
    Wendla
    Ich habe dir nichts getan –
    Frau Bergmann
    O leugne nicht noch, Wendla! – Ich weiß alles. Sieh, ich hätt' es nicht vermocht, dir ein Wort zu sagen. – Wendla, meine Wendla…!
    Wendla
    Aber das ist ja nicht möglich, Mutter. Ich bin ja doch nicht verheiratet…!
    Frau Bergmann
    Großer, gewaltiger Gott –, das ist's ja, daß du nicht verheiratet bist! Das ist ja das Fürchterliche! – Wendla, Wendla, Wendla, was hast du getan!!
    Wendla
    Ich weiß es, weiß Gott, nicht mehr! Wir lagen im Heu… Ich habe keinen Menschen auf dieser Welt geliebt als nur dich, dich, Mutter.
    Frau Bergmann
    Mein Herzblatt –
    Wendla
    O Mutter, warum hast du mir nicht alles gesagt!
    Frau Bergmann
    Kind, Kind, laß uns einander das Herz nicht noch schwerer machen! Fasse dich! Verzweifle mir nicht, mein Kind! Einem vierzehnjährigen Mädchen das sagen! Sieh, ich wäre eher darauf gefaßt gewesen, daß die Sonne erlischt. Ich habe an dir nicht anders getan, als meine liebe gute Mutter an mir getan hat. – O laß uns auf den lieben Gott vertrauen, Wendla; laß uns auf Barmherzigkeit hoffen und das Unsrige tun! Sieh, noch ist ja nichts geschehen, Kind. Und wenn nur wir jetzt nicht kleinmütig werden, dann wird uns auch der liebe Gott nicht verlassen. – Sei mutig, Wendla, sei mutig! – – So sitzt man einmal am Fenster und legt die Hände in den Schoß, weil sich doch noch alles zum Guten gewandt, und da bricht's dann herein, daß einem gleich das Herz bersten möchte… Wa – was zitterst du?
    Wendla
    Es hat jemand geklopft.
    Frau Bergmann
    Ich habe nichts gehört, liebes Herz. –
(Geht an die Tür und öffnet.)
    Wendla
    Ach, ich hörte es ganz deutlich. – – Wer ist draußen?
    Frau Bergmann
    Niemand – – Schmidts Mutter aus der Gartenstraße. – – – Sie kommen eben recht, Mutter Schmidtin.
Sechste Szene
    Winzer und Winzerinnen im Weinberg. – Im Westen sinkt die Sonne hinter die Berggipfel. – Helles Glockengeläute vom Tal herauf. Hänschen Rilow und Ernst Röbel im höchstgelegenen Rebstück sich unter den überhängenden Felsen im welkenden Grase wälzend.
    Ernst
    Ich habe mich überarbeitet.
    Hänschen
    Laß uns nicht traurig sein! – Schade um die Minuten.
    Ernst
    Man sieht sie hängen und kann nicht mehr – und morgen sind sie gekeltert.
    Hänschen
    Ermüdung ist mir so unerträglich, wie mir's der Hunger ist.
    Ernst
    Ach, ich kann nicht mehr.
    Hänschen
    Diese leuchtende Muskateller noch!
    Ernst
    Ich bringe die Elastizität nicht mehr auf.
    Hänschen
    Wenn ich die Ranke beuge, baumelt sie uns von Mund zu Mund. Keiner braucht sich zu rühren. Wir beißen die Beeren ab und lassen den Kamm zum Stock zurückschnellen.
    Ernst
    Kaum entschließt man sich, und siehe, so dämmert auch schon die dahingeschwundene Kraft wieder auf.
    Hänschen
    Dazu das flammende Firmament – und die Abendglocken – Ich verspreche mir

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