Dramocles
Schwester, gewillt sei, ihn zu empfangen. Als er eine positive Antwort erhielt, bereitete er seine sofortige Abreise vor. Er entschloß sich, mit seiner eigenen Raumjacht zu fliegen, da Dramokles sicher bald allen zivilen Raumschiffen Startverbot erteilen würde, falls das nicht längst geschehen war. Als er jedoch am Raumhafen eintraf, stellte er erfreut fest, daß der Verkehr noch ungehindert floß. Er hatte etwas Angst, als er dem Kontrollturm seinen Namen meldete und um Starterlaubnis bat. Doch die Startfreigabe wurde ihm unverzüglich erteilt, und schnell war er hoch oben in der Luft.
Chuch speiste sein Flugziel in den Bordcomputer ein. Die Stadt und ihre Vororte fielen hinter ihm zurück. Er überflog die Sardapianische See und sah in der Ferne die grauverhüllten Berge von Glypher. Er überflog den Kistenwald, und dann tauchte der Euripeanische Fluß auf, ein mäanderndes silbernes Band. Das war die östliche Grenze von Drusillas Reich. Unter ihm lagen die grünen, bewaldeten Hügel des Landes Ystrad. Im Norden kam die schimmernde Fläche des Sees Melachaibo in Sicht, an dessen Ufer Tarnamon stand, das Schloß mit den vielen Türmen, in dem seine Schwester Drusilla wohnte. Nachdem man ihm Landeerlaubnis erteilt hatte, ließ Chuch sein Schiff auf dem kleinen Raumhafen niedergehen. Dort wartete Vitello auf ihn.
Die Bewohner Ystrads, die Ystradgnu, waren ein sehr altes, nicht-glormisches Volk. Sie waren friedliebend und Fremden gegenüber gastfreundlich, außer wenn sie gerade ein Menschenopfer für eine ihrer Gottheiten benötigten. Ihr wichtigster Exportartikel waren Gedichte und Lieder, nach denen bei den Rassen der Galaxis, die keine eigenen Gedichte und Lieder hatten, eine rege Nachfrage bestand. Die Annotation und Analyse der Ystradgnu-Kunst beschäftigte auf der benachbarten Insel Rungx einen ganzen Berufsstand von Analogisten.
Die Mehrzahl der Ystradgnu verdienten sich ihren Lebensunterhalt, indem sie auf ihren grünen Hügeln Stachelschweine züchteten. Die Stacheln verkauften sie an die Uurks, ein nichtmenschliches Volk, das noch nie enthüllt hatte, wozu es sie brauchte.
Die Ystradgnu besaßen ein auf Glorm einzigartiges Transportsystem. Reisen innerhalb Ystrads wurden durch ein Netz von Trampolins ermöglicht. Die Trampolins durchzogen, in einem Abstand von fünfzehn Fuß, das ganze Land. Die Ystradgnu bauten und unterhielten dieses Trampolin-Netz seit undenklichen Zeiten. Die Trampolins bestanden aus schwerem Leinentuch und waren mit leuchtenden Farben bemalt – einer alten Tradition folgend jedoch niemals mit Gelb –, und ein großer Teil der Ystradschen Staatseinnahmen wurde für ihre Instandhaltung verwandt. Aus der Luft wirkten sie wie komplizierte Muster aus bunten Punkten. Einer Legende zufolge waren diese Muster Teil eines gigantischen Mandala, ein Relikt jener mysteriösen Rasse, die das Stachelschwein in Ystrad eingeführt hatte und dann verschwunden war. Es war ein farbenfroher Anblick, wenn an den Samstagen die Stachelsammler und Farmer in die Stadt hüpften, um zu feiern und sich den Stachelkunst-Wettkämpfen zu widmen. Wegen des ständigen Trampolinhüpfens hatten die Ystradgnu kurze, dicke, muskelbepackte Beine, was bei ihnen als Inbegriff männlicher ebenso wie weiblicher Schönheit galt. Diese Beine befähigten die Stachelsammler, hinter ihren Stachelschweinen die Hügel hinauf- und hinabzuklettern.
»Lächerlich«, erklärte Prinz Chuch und bestand auf einem standesgemäßen Transportmittel. Für »Durrbeine«, wie man hier alle Nicht-Ystradgnu nannte, existierte ein Taxidienst. Ein Taxi brachte Chuch und Vitello zu dem großen gotischen Schloß auf einer Klippe am Rand des Sees Melachaibo, wo Drusilla die Geheimnisse der Großen Göttin bewahrte. Bei dieser Religion legte man seit uralter Zeit Wert auf Fruchtbarkeit, Frömmigkeit und die strikte Wahrung der Rituale. Drusilla, Hohepriesterin von Glorm, wurde als lebende Repräsentantin der Göttin angesehen und sprach für sie, in jenem Drogenrausch, der für die Ausübung der Wahrsagerkunst unverzichtbar ist. Drusilla war außerdem höchste Autorität in jenem besonderen Bereich der Religion, der als Großes Dekorum bekannt war. Zu Fuß durchschritten sie das Tor des Schlosses und gelangten in dämmrige Steinflure, die nur durch schmale Fensterschlitze hoch über ihren Köpfen erhellt wurden. Chuch schlug seinen Kragen hoch und sagte: »Gar wenig lieb’ ich diese weiblichen Mysterien.« Und Vitello sagte: »Dies ist nicht
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