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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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einzureden, daß es für das alles eine Erklärung gibt, daß Vater nicht seine Eide gebrochen und Schande über seinen guten Namen gebracht hat. Aber er hat Aardvark eingenommen und besetzt jetzt gerade Lekk!«
    »Welche Schlüsse ziehst du daraus?« fragte Chuch.
    »Ich kann mir nicht länger vormachen, daß er nicht von Machtgier besessen ist. Die Folgen für die Menschheit sind klar – Krieg, Pestilenz und Tod. Oh, was können wir nur tun?«
    »Wir müssen ihn aufhalten«, sagte Chuch, »ehe sein Wahn die Hiesigen Welten in einen katastrophalen Krieg stürzt. Er wird uns später dafür dankbar sein, wenn er erst wieder zur Vernunft gekommen ist.«
    Drusilla stand auf. Ihr Gesicht war ein Feld des Zweifels, auf dem die schwarzen Hunde der Furcht die weißen Rehkitze der Hoffnung jagten.
    »Aber wie?«
    »Ich habe einen Plan, wie wir seinen Ehrgeiz bremsen können und alles wieder so werden kann, wie es vorher war.«
    »Ich will nicht, daß ihm Leid zugefügt wird!«
    »Das will ich auch nicht.« Er bemerkte den Ausdruck auf ihrem Gesicht und lachte. »Ich weiß, wir haben uns nie besonders gut vertragen, Dramokles und ich. Dazu sind wir uns zu ähnlich! Aber ich habe den alten Herrn insgeheim stets bewundert, und nur zu bereitwillig würde ich mein Leben für ihn geben. Schließlich ist er mein Vater, Dru!«
    Tränen schimmerten in Drusillas Augen. Sie sagte: »Vielleicht wird das die Familie wieder enger zusammenbringen, und dann wäre doch nicht alles umsonst gewesen.«
    »Das wäre schön«, sagte Chuch leise.
    »Dann gebe ich dir mein Wort, Bruder, daß ich deinen Plan unterstützen werde, solange Dad kein Leid zugefügt wird.«
    »Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    »Sag mir, was ich zu tun habe.«
    »Im Augenblick nichts. Ich muß erst noch weitere Vorkehrungen treffen. Ich werde mit dir Kontakt aufnehmen, sobald die Zeit reif ist.«
    »So soll es sein«, sagte Drusilla.
    »Bis später, dann«, sagte Chuch, verneigte sich tief und verließ die Kammer.

13
    Unten in Tarnamons kleiner Banketthalle nahm Vitello sein Abendessen ein, kalten Trüffelkuchen. Der Trüffel war eine einzigartige Kreuzung zwischen Truthahn und Büffel, die es nur hier in Ystrad gab. Sie wurde streng geheimgehalten, denn man hielt es für klug, eine solche Sache geheimzuhalten. Vitello fand ihn recht wohlschmeckend und spülte ihn mit einer Flasche Opiumwein aus den Mohnweinbergen von Cythera hinunter.
    »Bringt uns mehr von diesem Zeug«, sagte er zu dem Serviermädchen. »In diesen Gegenden sind die Nächte kalt, und ein Mann muß sich beizeiten Schutz suchen. Schutz! Wer sich mit hohen Herren einläßt, steckt seinen Arsch in die Schlinge, sagen die Alten. Und doch, kann nicht auch ein Geringer emporkommen? Besteht das Leben wirklich nur aus dem, was andere erreichen? Könnte nicht auch ein Vitello etwas Großes erreichen, wenn er eine Chance bekäme?«
    »Was haben Sie gesagt?« fragte das Serviermädchen.
    »Ich habe um noch etwas Opiumwein gebeten«, sagte Vitello. »Der Rest war ein innerer Monolog, trotz der Anführungszeichen.«
    »Sie sollten keine Selbstgespräche führen«, sagte das Mädchen.
    »Mit wem sollte ich denn dann reden?«
    »Na, mit mir, denn ich bin hier.«
    Vitello sah sie scharf an, ohne sie aber wirklich zu registrieren. Es war wichtig, sich nicht von der Arbeit ablenken zu lassen, wenn man in dieser Welt weiterkommen wollte. War dieses Mädchen etwas, das er, um Heideggers unsterblichen Satz zu gebrauchen, »im Kontext der Ausrüstung« benutzen konnte, oder war sie nur eine Statistin, die keine Beachtung verdiente?
    »Ich habe blaue Augen und schwarzes Haar«, sagte das Mädchen. »Mein Name ist…«
    »Nicht so schnell«, sagte Vitello. »Keine Namen. Du bist bloß ein Serviermädchen. Von dir wird erwartet, daß du mir meinen Wein bringst und danach nie wieder in Erscheinung trittst.«
    »Ich weiß, daß das von mir erwartet wird. Aber gib mir eine Chance, ja?«
    »Eine Chance? Hör mal, Mädchen, ich spiele in dieser Geschichte keine tragende Rolle. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch lange im verworrenen Leben der Dramokles-Familie vorkomme. Ich bin im Moment vollauf damit beschäftigt, überhaupt weiter zu existieren. Ich will dir etwas verraten: Chuch braucht mich in Wirklichkeit überhaupt nicht. Er glaubt es zwar im Moment, aber im Grunde bin ich völlig überflüssig. Ich diene ihm bloß als Stichwortgeber. Wahrscheinlich wird man mich sterben lassen, noch ehe irgend etwas Interessantes

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