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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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der Weg, auf dem ich das letzte Mal kam.«
    Als sie den inneren Bergfried erreichten, öffnete sich eine hohe Eisentür, und Drusilla trat vor. Sie war von mittlerer Größe, mit außergewöhnlich üppigen Brüsten. Ihr Haar, eine glitzernde, kupferrote Kaskade, fiel in feurigen Locken über ihre wohlgeformten Schultern. Ihr stolzes und schönes Gesicht umrahmte kalte, graue Augen.
    »Kommt herein«, sagte sie. »Tut mir leid, daß wir euch Ungelegenheiten machen mußten, aber in der Haupteingangshalle werden gerade neue Teppiche verlegt.«
    Vitello wurde hinunter in die kleine Banketthalle geschickt, um dort etwas zu essen zu empfangen. Drusilla führt Prinz Chuch in die Weidenaudienzkammer. Bruder und Schwester sahen sich zum ersten Mal seit fast zwei Jahren.
    Es war ein langer, schmaler Raum, dessen eine Wand verglast war und einen herrlichen Blick auf den See Melachaibo ermöglichte, auf dem die Dhows mit ihren gestreiften Segeln dahinglitten. Chuch setzte sich auf eine kleine Couch, Drusilla auf einen Biltongsessel. Eine Dienerin brachte Salvasie-Wein und die kleinen Honigkuchen, für die Ystrad berühmt war. Drusilla sagte: »Nun, Chuch, was ist der Grund für deinen äußerst unerwünschten Besuch?«
    »Es ist lange her, Dru«, sagte Chuch.
    »Noch längst nicht lange genug.«
    »Du bist mir noch immer böse?«
    »Natürlich bin ich das. Dein Vorschlag, mit mir zu schlafen, war eine unverzeihliche Beleidigung einer Priesterin, die eine Verfechterin normaler Sexualität ist, also der zwischen einer Frau und einem nicht mit ihr verwandten Mann.«
    »Wir hätten es so schön miteinander haben können, Dru«, sagte Chuch leise. »Und der Inzest hätte uns den Status von Halbgöttern verliehen.«
    »Diesen Status besitze ich bereits«, sagte Drusilla. »Durch meinen Beruf als Priesterin. Wenn du selbst nichts Göttliches zustande bringst, ist das dein Problem. Aber auch wenn es das Inzest-Tabu nicht gäbe, würde ich lieber mit einem Gassenköter schlafen als mit dir.«
    »Das hast du schon vor zwei Jahren gesagt.«
    »Und das sage ich immer noch.«
    »Egal«, sagte Chuch. »Ich bin aus einem ganz anderen Grund hergekommen. Du weißt natürlich schon, daß Dramokles Aardvark genommen hat und gegenwärtig Lekk besetzt.«
    »Ja, ich habe davon gehört.«
    »Und wie denkst du darüber?«
    Drusilla zögerte, dann sagte sie: »Es wurden offizielle Erklärungen abgegeben.«
    »Die unverkennbar Max’ Handschrift tragen.«
    »Sie klingen in der Tat weit hergeholt«, sagte Drusilla. »Offen gesagt, ich bin sehr beunruhigt. Dreißig Jahre Frieden, eine neue Ära des Fortschritts, und nun das. Ich habe versucht, Vater anzurufen, aber es meldet sich nur sein automatischer Anrufbeantworter. Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich. Es muß eine vernünftige Erklärung für sein Verhalten geben.«
    »Es gibt eine«, sagte Chuch, »und einer Frau wie dir, die sich mit den Bewegungen der Planeten auskennt, sollte sie eigentlich offensichtlich sein.«
    »Du weißt, daß ich nicht an Astrologie glaube.«
    »Ich auch nicht. Aber Astronomie ist etwas anderes, nicht wahr?«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Zum ersten Mal seit dreißig Jahren befinden sich die Planeten in einer solchen Position zueinander, daß glormische Invasionsflotten einen strategischen Vorteil haben.«
    »Du glaubst, daß Dramokles die ganze Zeit darauf gewartet hat?«
    »Ja, und auf das große Fest, dank dem sich alle hiesigen Könige in seiner Gewalt befinden.«
    Drusilla dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Dramokles ist nicht verschlagen genug, und er besitzt nicht die Geduld für eine solche Unternehmung.« Aber Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit, und Chuch bearbeitete sie weiter.
    »Was weißt du denn schon wirklich von ihm, Dru? Für dich ist er stets der liebe gute Daddy, der nichts Böses zu tun vermag. Deine Liebe zu ihm macht dich blind. Obwohl sein augenblickliches Tun förmlich Verrat schreit, weigerst du dich, es zu glauben.«
    »Dramokles, ein Verräter? O nein!«
    »Deine Gefühle in Ehren, Kleines. Aber vergiß nicht, du bist nicht einfach nur Tochter. Du bist die Priesterin der Großen Göttin und hast dich durch Eid verpflichtet, der Wahrheit und der Freiheit zu dienen. Wenn ein anderer König getan hätte, was Dramokles tat, würdest du ihn ohne Zögern verdammen. Doch weil er dein Vater ist, machst du dir selbst etwas vor.«
    Drusillas Mund zitterte, und sie schwankte in ihrem Stuhl hin und her. »O Chuch, ich versuche, mir

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