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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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sagte Dramokles. »Warum habe ich nicht früher an sie gedacht?«
    »Weil Sie dazu neigen, Majestät, nur einmal im Jahr an die Mitglieder Ihrer Familie zu denken, zwei Wochen nach ihren Geburtstagen.«
    »Habe ich Dru dieses Jahr ein Geschenk geschickt?«
    »Nein, Sire, auch letztes Jahr nicht.«
    »Nun, dann schicke ihr zwei teure Geschenke. Nein, lieber gleich drei, dann ist für nächstes Jahr auch schon gesorgt. Und sag Max, daß er meine Raumjacht startklar machen soll. Ich fliege sofort nach Ystrad.«
    Als der Computer gegangen war, lief Dramokles im Zimmer auf und ab, rieb sich die Hände und kicherte tief in der Kehle wie ein Löwe. Die gute, alte Dru! Sie würde sich in ihre heilige Ekstase versetzen und herausfinden, was er als nächstes tun sollte. Und das Schöne dabei war, daß er Dru voll und ganz vertrauen konnte.

15
    »Sei gegrüßt, Tochter«, sagte Dramokles in der formellen Redeweise, die er mitunter benutzte, wenn er tief bewegt war.
    »Hallo, Daddy«, sagte Drusilla. Dramokles war soeben in Ystrad eingetroffen. Vater und Tochter saßen in der von Kiefernduft erfüllten Laube am Ende des Gartens. Unter ihnen plätscherten die trägen, kleinen Wellen des Melachaibo-Sees gegen das Ufer. Getreulich verrichteten sie ihre Arbeit, die grauen Granitfundamente des Schlosses zu unterminieren, eine Aufgabe, die noch unzählige Jahrhunderte in Anspruch nehmen würde, so daß die Wellen verständlicherweise ohne große Eile zu Werke gingen.
    »Oh, Daddy«, sagte Drusilla, »ich bin so verwirrt und aufgeregt. All diese Jahre des Friedens, und nun Aardvark und Lekk. Warum hast du das nur getan?«
    »Es macht wohl keinen besonders guten Eindruck, was?« sagte Dramokles.
    »Die Leute reden.«
    Dramokles lachte sardonisch.
    »Sie sagen, daß du plötzlich machtbesessen geworden seiest und daß du beabsichtigst, das alte Glormische Imperium neu zu errichten. Aber das ist doch gewiß nicht wahr, Vater? Was ist der wahre Grund für diese Unternehmungen?«
    »Nun, Dru«, sagte Dramokles, »es ist so, daß dies alles mit meiner Bestimmung zu tun hat, von der ich erst kürzlich erfahren habe.«
    »Deine Bestimmung? Du hast sie also endlich gefunden? Wie wundervoll! Was ist es?«
    Dramokles sagte: »Das ist ein Geheimnis.«
    »Oh«, sagte Drusilla, und ihre Enttäuschung war offensichtlich.
    »Nun schmoll nicht gleich. Diese Sache ist so geheim, daß noch nicht einmal ich selbst darüber Bescheid weiß. Von meinem
    Computer einmal abgesehen, bist du die erste Person, der ich überhaupt davon erzähle. Ich werde dir sagen, was ich weiß. Ich weiß, daß du mein Geheimnis besser hüten wirst als ich selbst. Ich erinnere mich, daß du, als du noch ein kleines Mädchen warst, deiner Mutter nie etwas über meine Freundinnen erzählt hast, obwohl sie es doch immer irgendwie herausfand.«
    Drusilla nickte. Ihre Liebe zu ihrem Vater und der Abscheu, den sie gegen ihre Mutter hegte, waren im Freundeskreis der königlichen Familie wohlbekannt. Jetzt, an einem friedlichen Sonntagnachmittag, ihr Bruder war noch nicht lange abgereist, kratzte sie sich mit ihrem linken Zeigefinger an ihrem linken Augenlid – eine unbewußte Geste, die einem aufmerksamen Beobachter ihre innere Verwirrung verraten hätte, wäre ein solcher zugegen gewesen – und wartete darauf, daß ihr geliebter Vater sich durch sein Gerede in neue Schwierigkeiten brachte.
    Dramokles sagte: »Ich entdeckte meine Bestimmung bereits vor dreißig Jahren, kurz nach Vaters Tod. Aber damals war noch nicht der rechte Augenblick, etwas zu unternehmen. Aus verschiedenen Gründen mußte ich meine gesamte Erinnerung an meine Bestimmung bis jetzt unterdrücken. Vorige Woche kehrte ein Teil meiner Erinnerung zurück, und ich bekam einen ersten Hinweis: Besetze Aardvark. Der zweite Hinweis besagt, daß ich Lekk angreifen sollte. Aber das war bereits vor mehreren Tagen, und ich weiß nicht, was ich als nächstes tun soll.«
    »Kannst du mir sagen, was deine Bestimmung ist, Vater?«
    »Das kann ich nicht, weil ich es selbst noch nicht weiß. Obwohl viele meiner Erinnerungen zurückgekehrt sind, fehlt mir noch immer diese eine Information. Darum bin ich hergekommen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich benötige deine Hilfe als offizielles Orakel.«
    Drusilla schaute in das angespannte Gesicht ihres Vaters, das trotz des Bartes und der buschigen Augenbrauen jungenhaft wirkt. Obwohl die Geschichte ihres Vaters bisher wenig Sinn ergab, hoffte sie, später mehr zu erfahren.
    Sie

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