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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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verschränkt, wirkte wie die perfekte Verkörperung dramokletianischer Arroganz und Kaltblütigkeit. Langsam kam er auf sie zu.
    »Ich denke, wir haben jetzt genug von euch«, sagte Chuch leichthin, aber unmißverständlich drohend.
    »Prinz, überstürzen Sie nichts!« rief Chemise.
    »Haben Sie Mitleid!« riefen die beiden nicht näher zu beschreibenden Trauzeugen gleichzeitig.
    Chuch hob die Arme. Ein grünes Licht begann von seinem Kopf und seinem Torso auszustrahlen. Es war das sichtbare Zeichen jener unheimlichen Macht, mit deren Hilfe sich die zerstrittenen und dem Untergang geweihten Mitglieder der dramokletianischen Familie im interstellaren Rampenlicht hielten.
    Mit weit offenstehenden Mund beobachtete Vitello, wie Chemise, der Priester und die Trauzeugen zu verblassen begannen. Einen Moment lang wanden sie sich noch, schattenhafte Gestalten, deren Münder Worte formten, die niemand hörte.
    Dann waren sie verschwunden – Figuren, die ein Dramokletianer für bedeutungslos befunden hatte.
    Chuch wandte sich dem schlotternden Vitello zu. »Du mußt verstehen«, sagte er mit fester und zugleich sanfter Stimme, »daß dies in aller erster Linie die Geschichte der dramokletianischen Familie ist, zweitens ihrer Gefolgsleute und Vertrauten, und erst an dritter Stelle jener Randfiguren, denen allein wir einen kurzen Auftritt auf der Bühne unserer Geschichte gestatten. Wir wählen diese Leute aus, Vitello, und es ist nicht im Interesse der Familie, daß vorwitzige Statisten mit ihren vulgären, zusammenphantasierten Geheimnissen dazwischendrängeln. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Es tut mir leid, Herr«, sagte Vitello mit erstickter Stimme. »Ich war unachtsam – der Wein –, und sie war zu schnell für mich, diese verfluchte Hexe.«
    »Genug, mein treuer Diener«, sagte Chuch mit einem verzerrten Lächeln. »Du hast mir Gelegenheit gegeben, ein wichtiges politisches Statement abzugeben, und dafür schulde ich dir ein wenig Dank. Sei pflichtbewußt, Vitello, sei diskret, sei schweigsam, außer wenn ich mit dir zu reden wünsche, und wenn du dich gut führst, werde ich eine nette, kleine Geliebte für dich finden. Natürlich wird sie im Roman keine große Erwähnung finden.«
    »Natürlich nicht, Sire«, schluchzte Vitello. »Oh, danke, danke.«
    »Und jetzt reiß dich zusammen, Mann. Mein Gespräch mit Drusilla hat interessante Ergebnisse gebracht. Ich will mich darüber jetzt noch nicht äußern; aber ich habe einen Auftrag von einiger Wichtigkeit für dich.«
    »Ja, Sire!« rief Vitello und warf sich Chuch zu Füßen.
    »Er ist gefährlich«, sagte Chuch. »Das sage ich dir ganz offen. Aber die Belohnung ist entsprechend groß. Es ist eine große Chance für dich, Vitello!«
    »Sire, ich bin bereit.«
    »Dann nimm meine Schuhschnalle aus deinem Mund und hör genau zu.«

14
    Dramokles lag auf dem königlichen Wasserbett in einer Ecke des Wohngemaches, das er in einem der kleineren Türme seines Palastes Ultragnolle hatte bauen lassen. Am Fuß des Bettes saß eine schlanke, junge Sängerin. Sie trug das traditionelle Gewand, bestehend aus rost- und rehbrauner Unterwäsche. Sie sang eine Ballade und begleitete sich selbst auf einer winzigen Moog-Zimbel. Goldenes Sonnenlicht, in dem Staubflocken tanzten, strömte durch hohe Schlitzfenster. Dramokles lauschte geistesabwesend ihrem traurigen Lied:

    »I« faith it listeth not, nor likely
    That the deer should, passing lightly
    ‘Neath the arches of a forest sprightly,
    Be yet uncerted in a glowing pass.

    And silver finches, dropping slowly
    Through a pass which, ever lowly,
    Doth yet made a sound of crowly
    As in a tinkling glass.

    And jocund daffodil, in wind so blowly
    Causes chill in those who knowly
    Play the deadly love-game sowely
    With one so crass.

    And em’rald raven, not untoely…

    »Genug«, sagte Dramokles. »Diese alten Balladen klingen unheilvoll für jemanden, der sie nicht versteht. Pah! Alte Hüte! Das langweilt mich.«
    »Würde Eure Majestät es vorziehen, wenn ich an Eurem königlichen Körper einige höchst erquickliche Obszönitäten praktiziere?« fragte das Mädchen.
    »Nach deinen letzten Obszönitäten schmerzte mir die Prostata«, sagte Dramokles. »Überlaß solche Dinge besser den Experten. Geh jetzt, ich wünsche nachzudenken.«
    Als die Sängerin fort war, bedauerte Dramokles sofort, daß er sie weggeschickt hatte. Er war nicht gern allein. Aber vielleicht würde ihm in dieser Einsamkeit offenbart werden, welchen

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