Dramocles
stand auf und faßte ihren Vater an beiden Händen. »Dann komm, laß uns zum Altar der Göttin gehen. Wir werden die heiligen Substanzen einnehmen. Im Zustand der Trance wirst du durch den Palast der Erinnerung wandern, wo alle Antworten liegen.«
»Hört sich gut an«, sagte Dramokles. »Deine heiligen Substanzen sind das beste Dope auf ganz Glorm.«
»Daddy! Du bist unverbesserlich!« Lachend gingen sie zum Altarraum.
16
Drusilla bereitete sich in dem Ankleidezimmer hinter der Orakelkammer vor. Zuerst nahm sie ein Bad, bei dem sie etwas von ihrem schwindenden Vorrat heiliger Badesalze benutzte. Das Geheimnis der Herstellung dieser Salze war beim Untergang der alten Welt verlorengegangen. Dann salbte sie ihre prickelnde Haut mit wenigen Tropfen des kostbaren Mazola-Maisöls und zog das Orakel-Gewand an. Dramokles rauchte währenddessen geistesabwesend eine Zigarette.
Sie gingen in den Altarraum – eine unterirdische, in den schwarzen Basalt gehauene Kammer. Sie war nur schwach beleuchtet; in Mauernischen eingelassene Fackeln warfen flackernde Schatten auf den Fußboden aus poliertem Marmor. Am anderen Ende des langen, schmalen Raumes befand sich ein mit Wasser gefülltes Becken. Darin spiegelte sich das strenge Gesicht der Göttin, das darüber ins Deckengestein gemeißelt war. Der leise, monotone Klang von Dudelsäcken und Schnarrtrommeln erfüllte die Luft: ein Tonband mit dieser Musik hatte sich automatisch eingeschaltet, als sie eintraten. Dramokles hüllte sich enger in seinen Mantel. Die Atmosphäre uralter, dunkler Geheimnisse, die dieser Ort ausströmte, ließ ihn frösteln.
Drusilla führte ihren Vater drei steinerne Stufen hinauf, die zu einem Marmoraltar vor dem Wasserbecken führten. Der Altar war mit Halbedelsteinen besetzt, die durch Silberlinien miteinander verbunden waren. Auf seiner Deckplatte standen drei verschieden große Kästchen aus Sandelholz.
»Bewahrst du da drin dein Dope auf?« fragte Dramokles.
»Oh Vater, scherze nicht«, sagte Drusilla mit tief aus ihrem bereits an anderer Stelle beschriebenen Busen kommender Stimme. Mit kundigen Fingern öffnete sie das erste Kästchen und entnahm ihm einen mit goldenen und silbernen Fäden verzierten Lederbeutel. Sie öffnete ihn und streute einige getrocknete Blätter in ein Sieb mit einem Elfenbeingriff. Mit schnellen Bewegungen ihrer geschickten Finger trennte sie eine pulverige Substanz von den Körnern und Stielen. Letztere wurden für die zahmen Schwalben aufgehoben, die die Vorhalle des Schlosses umkreisten. Drusilla schüttete die pflanzliche Substanz in ein Rechteck aus Reispapier, das mit dem Namen der alten terranischen Gottheit Rizla beschriftet war, drehte daraus geschickt einen schlanken Zylinder, zündete ihn an und gab ihn ihrem Vater.
Dramokles inhalierte den Rauch. Ein zweites und drittes Einatmen folgte, kombiniert jeweils mit einem angemessenen Ausatmen. Dramokles ließ Rauch aus seinen Mundwinkeln strömen und schnupperte anerkennend. »He, wo hast du denn diesen tollen Stoff her?« fragte er.
Sie redeten jetzt in der uralten, verlorenen psychedelischen Sprache ihrer visionären Vorfahren von der Erde. Frage und Antwort folgten genau dem Ritual, wie es in den alten Schriften aufgezeichnet war.
»Der bringt einen voll auf den Trip, was?« sagte Drusilla.
»Affengeil«, sagte Dramokles feierlich. »Ein total heißer Super-Joint, Mädchen.«
»Das ist erst der Anfang des Trips«, sagte Drusilla, gab den Reispapier-Zylinder wieder ihrem Vater und öffnete den zweiten Sandelholzkasten.
Sie entnahm ihm ein flaches, silbernes Etui. Sie öffnete es und legte einen glänzend polierten goldenen Spiegel und eine Rasierklinge auf den Altar. Aus einer kleinen Flasche, die aus einem einzige Rubin geformt war, schüttete sie ein wenig von einer kristallinen Substanz auf den Spiegel.
»Ein erhebender Anblick«, sagte Dramokles.
Drusilla konzentrierte sich jetzt voll auf die rituelle Pulverisierung der kristallinen Substanz mit Hilfe der Rasierklinge. Dazu erklang laute Oboenmusik. Farbige Lichter begannen zu pulsieren und warfen zuckende Schatten auf die steinernen Wände. Langsam und feierlich verteilte Drusilla das heilige Pulver zu schlangenhaften weißen Linien. Schließlich nahm sie einen Hohlknochen aus dem Sandelholzkasten, verbeugte sich vor dem starren Gesicht der Göttin und reichte Dramokles den dünnen Knochen.
»Empfange nun die göttliche Energie, Vater.«
»Drüben in Glorm weiß ich diesen Stoff einfach nicht
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