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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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verdrückte mich gleich in eine Ecke, von wo ich die Mädchen aus sicherer Distanz beobachten konnte. Auf die Huren selbst kam es mir gar nicht so sehr an, es genügte die Atmosphäre hier, die mit einem Schlag eine altvertraute Aufgereiztheit in mir wachrief, die mich den Herzschlag ganz oben im Hals spüren und meine Handflächen feucht werden ließ; es war der süßliche Geruch, die schwülstige Musik, das schwarzlila UV-Mischlicht, das die spärlich bekleideten Prostituierten zu negroiden Wachsfiguren verfremdete, mit dunkler, glänzender Haut und Augen wie aus weißem Glas. Beängstigend unnahbar erschienen mir diese Lustobjekte, ehrfurchtsgebietend und erbärmlich zugleich, fast war ich froh, dass sie diesmal unerschwinglich für mich waren. Auch ohne Geld kam ich hier auf meine Kosten – das »Hochgehen«, das »Zahlen«, die »Nummer«, das fade Gefühl »danach«, das alles würde mir heute erspart bleiben.
    »Sssst, Kleiner, komm mal her«, zischte es aus dem Schummerlicht, und ich fuhr zusammen wie ein Schuljunge. Eine große Frau bewegte sich auf mich zu. »Was stehst da herum? Kommst mit?« Nun hatte man mich gestellt, nun konnte ich mich nicht mehr verstecken und verstellen, nun half kein noch so bezwingender Charme, kein mitleiderregendes »Guten Abend, ich bin auf der Wanderschaft …«, nun musste ich mich zu erkennen geben. Verunsichert wie noch nie auf dieser Reise, fragte ich: »Was kostet’s denn?« »Fünfzig.« »Mit allem?« Ironisches Grinsen. »Beide nackt siebzig, und mit Verwöhnen hundert.« Ich schwieg. Sie blickte mich an, ich blickte irgendwie an ihr vorbei. »Na, wie isses?« fragte sie ungeduldig und legte eine Hand auf ihre ausladende Hüfte. »Ich muss mich erst mal n bisschen umschauen«, antwortete ich. Endlich ließ sie von mir ab. Ich floh zum Ausgang.
    Pünktlich um 12.50 Uhr rollt der Schwarzwaldexpress aus Hamburg in den Darmstädter Hauptbahnhof und die Sonne lacht. Ich hätte mich gern noch eine kleine Verspätung lang auf diesen Augenblick gefreut, aber nun ist es schon so weit. Kaum dass ich in der Mission einen schnellen Kaffee heruntergeschüttet habe, wird es also ernst mit dem Wiedersehen. Der Zug kommt zum Stehen. Die Türen werden geöffnet. Aus den Waggons quellen Menschen, die mir den Blick verstellen. Ich recke den Hals. Wo ist Freda? Ist sie überhaupt mit im Zug oder hat sie ihn heute morgen fahren lassen, weil sie die gleiche Wiedersehensangst spürte, die ich jetzt spüre, diesen erbärmlichen Bammel vor dem Augenblick der Wahrheit und dem Ende der lang gehegten Sehnsucht, der Träume, der Hoffnung auf Veränderung? »Darmstadt Hauptbahnhof, Darmstadt Hauptbahnhof«, meldet der Lautsprecher und spricht mir aus der Seele. Kofferkarren scheppern an uns vorbei. Feldmann läuft mir unruhig zwischen den Beinen herum. Die ersten Türen schlagen. Die Menschenflut verebbt. Der Lautsprecher bittet um Abstand von der Bahnsteigkante. Der Schaffner hebt die Kelle und pfeift. Mit dem Anrucken des Zuges höre ich meinen Namen rufen. Ich drehe den Kopf – da ist Freda!
    Gemeinsam rucksacken wir in den Odenwald hinauf. Ich suche nach Worten, aber ich finde keine. Auch Freda sagt nichts. Ihre Schritte sind kürzer als meine, ihr Atem geht schneller. Wenn es hart auf hart kommt, ist sie die Stärkere, denke ich, wie vor gut einem halben Jahr in den Vogesen. Da waren wir auch mit dem Rucksack unterwegs, eine Woche lang, über Weihnachten. Wir wollten die Neujahrsnacht in einer Hütte verbringen, die auf meiner Karte deutlich eingezeichnet war. Stundenlang ging es steil bergauf, durch knietiefen Schnee, gegen schneidend kalte Windböen. Wir spurten abwechselnd, bevor der eine nicht mehr konnte, übernahm der andere die Führung, wir waren ein gutes Team; es bestand eine ganz enge, sprachlose Übereinstimmung. Als wir auf über tausend Meter Höhe die Hütte erreichten, war dort alles zu, winterfest verrammelt, und die Dunkelheit zog schon herauf. Weit und breit nur verschneite Wälder. Die Tür hielt meinen Tritten stand, dreimal versuchte ich vergeblich, sie einzurennen, dann war ich völlig erschöpft, am Ende, fertig. Ungläubig sah ich, wie Freda ihre Schneeschuhe wieder unterschnallte, den Rucksack schulterte und nichts weiter sagte als:»Los, komm.« Ich folgte ihr auf eine Bergkuppe, bis an die Taille reichte uns der Schnee, aber als wir oben waren, lag da, nicht weit von uns, ein Dorf.
    In brütender Hitze sitzen wir an einer Quelle und kühlen uns die Füße. Freda

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