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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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Fahrgast, den Hakim an diesem Samstag einsammelt. Der junge Bulgare fährt wieder zur Arbeit, nach Hamburg. Jeden Monat schickt er seiner Familie 200 Euro. Der Western-Union-Schalter im Dorf ist ihre einzige Verbindung, hier holt seine Mutter das Geld ab und bezahlt ihre Schulden im Lebensmittelgeschäft.
    Hakim startet den Motor und dreht die Boxen auf, bulgarische Volksmusik. Von einem Speicherstick mit mehr als 3000 Liedern wird die nächsten 40 Stunden ununterbrochen Musik abgespielt. »Ich kann nicht so viel Gerede ertragen«, sagt Hakim. Er kennt ja die Träume seinerPassagiere und weiß, was sie in Deutschland erwartet.
    Einige in seinem Bus verlassen heute das erste Mal ihr Heimatdorf. Rushti Yazar zum Beispiel, er ist 20. Die Haare sind gegelt, das Gesicht frisch rasiert, er trägt ein lilafarbenes Shirt und sieht so aus, als stünde er vor seinem ersten Rendezvous. Yazar fährt ins Ungewisse. Keiner hat ihn bestellt. Verwandte in Frankfurt sagten, es werde sich schon etwas ergeben, er solle kommen. »In Deutschland liegt das Geld doch auf der Straße, wir müssen es nur aufsammeln«, sagt er. Der Bus fährt über die »Freundschaftsbrücke« nach Rumänien. Aus den Boxen ertönen melancholische Arabeskklänge, sie handeln von Sehnsucht und Abschied. Yazar packt süße Melonenstücke von seiner Mutter aus einem Pappkarton, reicht sie seinem Sitznachbarn Sinan und fragt, wie es nun wirklich sei bei den Deutschen.
    Sinan Kemal, 27, lebt seit vier Jahren in Deutschland und kommt gerade von einem Kurzbesuch bei seiner Familie. Für die Fahrt hat er sich nicht so fein gemacht wie Yazar, er trägt T-Shirt und Jogginghose, für die Träume des Neuen hat er ein mildes Lächeln übrig. »Ich wurde auch von Hakim importiert«, sagt er. »Solche Leute wie dich fressen sie auf, du bist zu schüchtern. Deutschland ist ein Sklavenlager.«
    An seine Ankunft in Hamburg kann sich Kemal gut erinnern. Auch ihn hatte keiner bestellt. Mit einer Stange Zigaretten und zehn Kilogramm Gepäck stand er in der fremden Stadt und wartete auf sein neues Leben. Das alte hatte er in Bulgarien verpfändet, sein einziger Besitz war das Hochzeitsgold seiner Ehefrau. Das hinterließ er in einem Leihhaus in Russe. In Bulgarien steht das Hochzeitsgold für die Ehre der Frau, für Kemal war es das nötige Kleingeld für den Neustart in Deutschland.
    »Tagelöhner werden am Marktplatz eingesammelt«, sagte ihm die Kellnerin in einer Teestube in Wilhelmsburg. Drei Wochen lang stand er morgens dort und wartete. Dann nahm ihn ein türkischer Mann mit auf den Großmarkt. Fünf Stunden packte er Obst und Gemüse, zehn Euro waren der Lohn. Andere Jobs folgten: Kemal verpackte Telefonersatzteile, sortierte Kleiderbügel, sortierte Müll, verschnürte Zeitschriften, arbeitete auf dem Bau. Ein normaler Arbeitstag hatte 15 Stunden und brachte maximal 30 Euro. »Ich war hungrig, frustriert und enttäuscht«, sagt er.
    150 Euro im Monat kostete sein Schlafplatz, eine versiffte Matratze bei einem Bekannten. In manchen Monaten schlief er im Keller einer kurdischen Familie. Kemal zieht an seiner Zigarette. Er erzählt von türkischen Lagerleitern in Wilhelmsburg, die ihre Arbeiter ohrfeigen, wenn sie nicht schnell genug packen. Er sagt, er habe sich wie ein Sklave der Türken gefühlt. »Du bist zwar EU-Bürger, aber du bist halt im falschen Land geboren.« Yazar hört zu, überlegt. Dann sagt er: »Drei Euro die Stunde sind auch gut, wenn du in Bulgarien hungern musst.«
    Hakim mag Passagiere wie Kemal und Yazar nicht. Aber wenn nicht genug Bestellungen von Arbeitgebern eingehen, dann füllen Hoffnungsreisende wie sie die leeren Plätze in seinem Bus. Für Hakim sieht ein optimaler Fahrgast anders aus: 150 Euro Transport, bis zu 200 Euro Vermittlungsgebühr vom Arbeitgeber, 150 Euro vom Vermieter. Hakim ist Reiseunternehmen, Jobcenter und Maklerbüro zugleich. »Schlechte Tour«, sagt er und schlägt mit der flachen Hand auf das Lenkrad.
    Als 20-Jähriger war er 1998 nach Griechenland gegangen. Der Viehhandel zu Hause reichte zwar zum Leben, aber Hakim träumte vom großen Geld. Er pflückte zwei Jahre lang Erdbeeren auf den Feldern, sparte umgerechnet 1400 Mark. Er kaufte sich einen Peugeot 405, seinen Führerschein zahlte er mit einer Kuh. Mit 22 organisierte er die ersten Menschentransporte nach Griechenland. Die Geschäfte liefen gut. Nach drei Jahren kaufte Hakim seinen ersten Kleinbus. »Griechenland war eine Goldgrube«, sagt er. In guten Monaten

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