Drei Eichen (German Edition)
der Schlossverwalter nicht mehr anders zu helfen gewusst, als den ihm persönlich bekannten Jäger Marco Probst zu Hilfe zu rufen. Dieser kam dann auch und brachte Theo ohne jegliches Federlesen auf eine sehr endgültige Art zum Schweigen. Nach verrichteter Jägerarbeit nahm er nicht nur die Entlohnung derer zu Hohenstein, sondern auch die sterblichen Überreste des großen weißen Vogels mit. Eine unverhoffte Gelegenheit, Schwan als seltene Hauptmahlzeit auszuprobieren.
Marco Probst hatte es sich so schön ausgemalt. Eine ganz besondere Delikatesse würde das werden. Einen speziellen Namen für das explizite Gericht brauchte er allerdings noch. Er musste nur so ähnlich klingen wie etwas, das der einheimische fränkische Gast kannte und mochte. »Schwanferkel« zum Beispiel. Das hörte sich einigermaßen nach fränkischer Traditionskost an und war eigentlich auch nicht wirklich gelogen. Alles in allem war es ein wirklich guter Plan gewesen, aber leider hatte ihm der angedachte Braten selbst einen dicken olfaktorischen Strich durch die Rechnung gemacht. Schon nach fünfzehn Minuten im Backofen stank der Schwan in seiner Küche so, als hätte eine Hundertschaft Freizeitfußballer gleichzeitig ihre verschwitzten Schuhe ausgezogen. Die Mahlzeit fand ihre letzte Ruhestätte schließlich in einem sehr tiefen Loch in Marco Probsts Garten, aus dem es noch tagelang unangenehm müffelte. Der Koch war zu der ernüchternden Erkenntnis gekommen, dass es wohl besser war, sich wieder mit Dachs und Reiher zu befassen.
Aber auch diese beiden Vertreter des Tierreichs konnte und durfte man einem normalen Restaurantbesucher nicht einfach so auf den Teller legen. Und schon gar nicht hier in Franken, da wurde nur das bestellt, was man schon von Kindesbeinen an kannte. Also entweder Kotelett – oder Kotelett.
Ein einziges Mal hatte er es gewagt und einer Buchhändlerin aus Ebern einen halben Kormoran zubereitet, den sie dann in der Überzeugung verzehrt hatte, es wäre eine fränkische Wald-und-Wiesen-Ente aus dem Itzgrund gewesen. Die gute Frau war nach ihrem Mahl voll des Lobes über den feinen Geschmack der Ente gewesen und hatte sich in ihrer Begeisterung auch noch zu einem üppigen Trinkgeld hinreißen lassen. Marco Probst hatte sie in dem Irrglauben gelassen, obwohl er ihr das besondere Aroma des Vogels nur zu gern näher erklärt hätte. Doch wahrscheinlich wäre der Frau dann das exklusive Abendessen auf der Damentoilette spontan und ohne Umschweife aus dem Gesicht gefallen, und das wollte er nun auch wieder nicht.
Nein, es war definitiv besser, seinen Gästen die Illusion zu lassen, sie würden hier genau das serviert bekommen, was sie bestellt hatten. Dass er auf die Jagd ging, wusste sowieso jeder, und auch aus der Lage seines Reviers machte er kein Geheimnis. Gerade heute hatte er wieder zwei Gästen versprechen müssen, dass sie etwas von dem nächsten Wildschwein abbekämen, das er heute Nacht hoffentlich erlegen würde. In der Jagdbranche war alles ein bisschen unwägbar, aber dafür wusste der Gast dann auch, wo sein Essen herstammte – bis auf die Buchhändlerin aus Ebern.
Aber das war nun schon lange her. Jetzt war Feierabend, und er hatte sich seinen normalen Pflichten als Jäger zuzuwenden. In diesem Jahr war der Wildverbiss in seinem Wald besonders schlimm. Das Rehwild hatte sich in Ermangelung natürlicher Feinde noch stärker vermehrt als sonst, was dem aufstrebenden Jungwald nicht gerade gutgetan hatte. Über zwei Drittel der jungen Bäume und Setzlinge hatten schwere, teilweise irreparable Schäden davongetragen. Würde das mit dem Rehwildbestand so weitergehen, dann gab es bald keinen Jungwald mehr. Als Gegenmaßnahme wurden die Abschussquoten drastisch heraufgesetzt, was für Marco Probst ein gerüttelt Maß an Mehrarbeit bedeutete. Genauer gesagt würde er sich im kommenden Herbst etliche Nächte um die Ohren schlagen dürfen, um die Quote zu erfüllen. Jetzt, im späten Frühjahr, standen Rehe noch unter Schutz. Er war nur unterwegs, weil irgendwo unterhalb der Küpser Linde eine Wildsau umherstreifen musste, die ein Lastwagenfahrer auf der B 4 im Itzgrund angefahren hatte. Das Tier war nach dem Crash, so hieß es, schweißend davongelaufen. Erst wenn er die arme Sau erlöst hatte, würden die Gäste in seinem Restaurant auch wieder reichlich und günstig Wildbret auf der Speisekarte finden.
Es war schon dunkel geworden, zu dunkel, um beispielsweise Rehe zu erlegen. Ein Reh im Dunkeln zu schießen,
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