Drei Eichen (German Edition)
auf Grün für eine Unabhängigkeit von fremdem Strom gestanden. Die bayerische Landesregierung hatte zwar mit allen Mitteln versucht, die Franken bei der Stange zu halten, und Zugeständnisse über Zugeständnisse gemacht, geholfen hatte es freilich nichts. Jetzt stand die Befragung der Franken zu ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit kurz bevor, und der Anführer dieser aus südbayerischer Sicht üblen Separatistenbande, Gerhard Irrlinger, hatte den Ausbau der fränkischen Energie als Grundstock finanzieller Unabhängigkeit begriffen. Vor allem in dem von Abwanderung bedrohten nördlichen Oberfranken schossen in dessen Folge modernste Windräder wie Pilze aus dem Boden und produzierten jetzt schon so viel Strom, dass man den Überschuss in die restliche Republik abführen konnte.
Aber das war nur der offizielle Teil der Wahrheit. Insgeheim wusste der Vorsitzende der Frankenpartei Irrlinger nur zu gut, dass das größte Pfand in der geografischen Lage Frankens bestand. Somit war es sogar völlig egal, wie sich die Peripherie an der zukünftigen Grenze des womöglich neuen Bundeslandes verhalten würde, denn die beiden wichtigsten Stromtrassen, die den Strom von der Küste an die Alpen transportieren sollten, führten mitten durch Franken. Mit diesem Faktum als Geisel hatte Gerhard Irrlinger die politische Meinungsbildung in den restlichen Bundesländern systematisch befördert. Der passendere Begriff dafür wäre eigentlich Erpressung gewesen, aber dieses Wort würde natürlich kein Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes je in den Mund nehmen, wenn er dadurch erhebliche wirtschaftliche Vorteile für seine Untertanen generieren oder gravierende Nachteile vermeiden konnte. Und so war dem bayerischen Ministerpräsidenten Teichhuber von diversen Amtskollegen irgendwann das Messer auf die Brust gesetzt worden. Noch wehrte er sich vehement, aber der Tag der Entscheidung nahte.
Im Zimmer der gelben Villa in Coburg saßen sie schweigend um den großen Tisch zusammen. Der Fuxmajor kam als Letzter und ließ sich auf dem ihm zustehenden Platz nieder. Auch er sagte kein Wort. Alles, was zu sagen gewesen war, hatte er ihnen bereits am Telefon erzählt. Als er erfahren hatte, dass all die anderen ebenfalls Post bekommen hatten, hatte er das Treffen sofort einberufen.
Mit der rechten Hand griff er in seine linke Jackentasche und holte den Umschlag mit dem Stein und der auf weißem Papier geschriebenen Botschaft hervor. Indem er sich nach vorn beugte, legte er alles auf den alten Holztisch vor sich. Stein und Papier gesellten sich zu all den anderen Steinen und Papieren in der Mitte des Tisches. Alle Steine waren gleicher Herkunft, auf jedem Papier stand mit schwarzer Tinte die gleiche kryptische Botschaft geschrieben: »Ich kenne dich.«
»Hat irgendwer etwas dazu zu sagen?«, fragte er laut und bestimmt. Niemand machte Anstalten, sich zu äußern. Warum auch? Alle saßen sie im gleichen Boot, völlig egal, ob der eine oder andere inzwischen Reue oder Zweifel darüber empfand, was er getan hatte. Sie alle hatten es getan, weil sie es hatten tun wollen und weil es da jemanden gegeben hatte, der es ihnen ermöglicht hatte. Sie hatten es als außergewöhnliches Abenteuer gesehen, als ein völlig irres Erlebnis. Es war so unglaublich gewesen, wie einmal die Hauptrolle in einem Hollywoodfilm zu spielen. Aber was sollte man jetzt zu diesen postalischen Grüßen sagen?
»Wir müssen darüber reden. Es ist ernst. Irgendjemand weiß etwas, und dieser Mitwisser kann uns Kopf und Kragen kosten.« Alle Augenpaare hoben sich, niemand sagte ein Wort.
»Ich weiß nicht, was nach dieser Postsendung kommen wird, aber seid sicher: Es wird etwas passieren. Ich schlage vor, wir warten erst einmal Josefs Hochzeit an Pfingsten ab, dann treffen wir uns wieder an gleicher Stelle und sehen weiter. Irgendwelche Einwände?« Er schaute sich um, erntete aber, wie zu erwarten gewesen war, nur zustimmendes Nicken. In einigen Gesichtern konnte er Sorge, in anderen Angst erkennen. Ihm selbst waren solche Gefühle normalerweise fremd. Seiner Meinung nach waren Probleme dazu da, beseitigt zu werden. Er erhob sich, wandte sich um und verließ die Versammlung.
Josef Simon und seine Frau Susanne parkten ihr Cabrio unterhalb des Staffelbergs auf dem Parkplatz bei Romansthal, bevor sie der Hochzeitsgesellschaft voraus den erst steilen, dann etwas flacheren romantischen Weg hinauf auf das Hochplateau mit der Staffelbergklause und der
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