Drei Generationen auf dem Jakobsweg
dass beide gut gelaunt waren, unterließ ich das lieber. Außerdem teilte sie uns mit, dass sie nur so schnell schob, weil Franzi schlief und schnell schiebend, wissen wir ja zwischenzeitlich, schläft sie am besten. Nach einer kurzen Atempause marschierten wir mit Franzi an der Hand weiter. Weit konnte es ja jetzt nicht mehr sein nach Juan de Ortega.
Nach nochmaligem fünfzehnminütigem Marsch erreichten wir dann endlich den Ort. Ziemlich am Ortsanfang sahen wir überglücklich ein sehr gepflegtes Hostal mit einem wunderschön angelegten Garten, in dem sich die Blumen in ihrer vollsten Pracht zeigten. Hier wollten wir bleiben und so steuerten wir den Eingang voller Freude an. Schnell legten wir unsere Rucksäcke vor dem Eingangsbereich ab, putzten uns die Schuhe im Gras, damit wir keinen Schmutz in der Eingangshalle hinterließen, und traten voller Erwartungen ein. Als wir so an der verwaisten Rezeption mit dem Schild »Zimmernachfrage in der Herberge nebenan« standen, kam unsere Kleine auf uns zu und schrie begeistert aus vollem Herzen: »Schau Omi, zwei rote, zwei schwarze, ein hellblauer und ein hellgrauer Koffer mit diesen Quasten dran .« Ich wusste nicht, sollte ich jetzt lachen oder mich lieber einem Weinkrampf hingeben? Als dann auch noch zwei Pilgerinnen frisch geduscht, mit gewaschenen, nassen Haaren und dunkelrot lackierten Fuß- und Fingernägeln vor uns auftauchten, war das fast ein bisschen zu viel für mich. Wir schleppen unsere riesigen Rucksäcke, Kinderkutsche samt Kind und gingen wirklich von Ausgangspunkt zu Ausgangspunkt und diese Bus-Pseudopilger nahmen uns täglich die Zimmer weg. Mein Mann versuchte mich zu beruhigen und sagte: »Ich gehe mal nach nebenan in die Herberge, bestimmt ist hier noch etwas für uns frei !« Es dauerte nicht lange, bis Peter zurückkam und uns eröffnete, dass das Hostal ausgebucht wäre und wir nur die Möglichkeit hätten, in der Herberge zu schlafen. Immerhin wären bis jetzt nicht viele Pilger angekommen, sodass der Schlafsaal nicht allzu voll werden dürfte.
Da wir keine Wahl hatten, setzten wir uns in Bewegung Richtung Herberge. Eine nette junge Frau schaute uns mitleidig an, kassierte 5 Euro pro Person für die Übernachtung und wies uns unsere Betten in der zweiten Etage zu. Nachdem wir mit unserem Gepäck oben angekommen waren, sah ich, dass in einem großen Schlafsaal genau vier Matratzen, nebeneinander am Boden liegend, auf uns warteten. Fast wäre ich versöhnt gewesen, da Franziska sich über das Bettenlager freute, aber als diese sich dann mit Anlauf auf die erste Matratze fallen ließ, sah ich das Kind nur noch schemenhaft in einer überdimensionalen Staubwolke. Vor meinem geistigen Auge sah ich uns alle schon am nächsten Tag beim Friseur sitzen, um diesen anschließend mit kahl geschorenem Kopf wieder zu verlassen. Ich sah förmlich die Läuse und Flöhe, wie sie sich zum Angriff auf uns und die Kleine rüsteten. Das war dann zu viel des Guten. Wir waren bereits an mehreren Herbergen vorbeigelaufen und alle waren sauber, aber diese angeblich 1000 Jahre alte Bude war ja nicht auszuhalten. Ein nicht einzuordnender Gestank durchzog das Gebäude vom Eingangsbereich bis in die letzte Etage. Ich schaute mir die Duschen und Toiletten an. Schimmel, soweit das Auge reichte. Was sollten wir tun? So verschwitzt und dreckig waren wir wahrscheinlich sauberer als nach einer Dusche in diesem Etablissement. Der Schlamm an unseren Hosenbeinen war mittlerweile trocken. Es war bereits kurz vor sechs Uhr abends und noch eine Etappe dranhängen, das war zu viel nach diesem doch sehr anstrengenden Tagesmarsch! Also sagte ich nur, nachdem ich meine Fassung wieder hatte: »Lasst uns bitte in die Kirche gehen .«
Der Gottesdienst mit anschließendem Pilgersegen begann um sechs Uhr. Wir waren alle außer unserer Kleinen etwas sprachlos. Auch meiner Tochter konnte ich die Enttäuschung ansehen, nur hätte sie nichts gesagt. Unten angekommen sahen wir, dass es im angrenzenden Lokal ab acht Uhr abends Pilgermenü gab. Wenigstens etwas. Ob das so schmeckte, wie es hier aussah und roch? Ich dachte nur noch: Ab in die Kirche. Die Messe begann und mir schwirrten alle möglichen Gedanken durch den Kopf, wie wir hier die Nacht unbeschadet überstehen sollen, vor allem wegen des Kindes. Ich kniete in der Bank, die Hände vor meinem Gesicht gefaltet, als ich plötzlich das Gefühl hatte, dass jemand an meinen Kopf klopft! Ich drehte mich um, aber der Mann hinter mir saß im Gebet
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