Drei Generationen auf dem Jakobsweg
höchst explosive Situation handelte. Schon schob sie die Kleine vor sich ins Zimmer und sagte nur knapp zu ihr: »Ich komme gleich wieder !« Flugs war die Türe zu und das Kind drinnen. Jetzt flossen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Mit tränenerstickter Stimme meinte sie, ich unterstütze sie und die Kleine nicht genug auf diesem Weg und auch Peter könne sich ruhig mehr einbringen. Anstatt uns immer mit wildfremden Leuten wie diesem Manfred zu unterhalten, sollten wir uns lieber mal um die Kleine kümmern, die schließlich unser aller Aufmerksamkeit benötige. Auch sagte sie mir, sozusagen im Schnelldurchlauf, was sie noch alles nicht gut fand. Deshalb überlege sie ab sofort den Weg alleine mit dem Kind fortzusetzen oder vielleicht sogar ganz abzubrechen. Ich dachte nur noch: Die Zeichen stehen auf Nervenzusammenbruch!
Ganz durcheinander ging ich mit Peter in unser Zimmer. Die Worte waren sehr hart, momentan zu hart für mich. Jetzt ließ auch ich meinen Tränen freien Lauf. Sollte auch ich jetzt einen Nervenzusammenbruch haben? War das das Ende unseres gemeinsamen Weges? Peter sagte nur: »Ich gehe nachschauen, was los ist .« Ich lag auf meinem Bett und dachte nur, was ich für einen tollen Mann habe. Ich würde nicht nur für meine Tochter oder Enkelin mein Leben geben, sondern auch für ihn, sollte es notwendig sein. Ich fing an zu beten! Ich sprach mit Gott und meinen Schutzheiligen, um wieder einigermaßen auf gleich zu kommen. Ich erzählte ihnen, dass ich den Weg gerne mit meiner Familie zu Ende gehen wollte! Ich bat sie auch, meiner Tochter von meiner Liebe ihr und der Kleinen gegenüber zu erzählen. Wir beide, Peter und ich, würden ihr die Kleine auch sehr gerne mehr abnehmen, aber sie ließ uns ja nicht. Ich bat auch darum, ihr wieder neue Kraft und Energie zu geben und ihre Nerven zu beruhigen. Wobei ich selbstverständlich auch bereit wäre unsere Reise hier und jetzt abzubrechen, sollte es nötig sein. Allerdings verstand ich nicht, was sie mit diesem Manfred hatte. Natürlich war es auch mal schön, mit anderen Pilgern Erfahrungen auszutauschen, obgleich mir natürlich unsere Kleingruppe am wichtigsten war. Wie konnte sie denn alles so falsch interpretieren? Der einzige Grund, der mir einfiel, war, dass sie täglich mehrmals über ihre physischen und psychischen Grenzen gegangen war. Wir hatten genug Zeit eingeplant und konnten unsere Etappen jederzeit verkürzen oder auch mehr Ruhetage einlegen. Aber genau das wollte sie ja nicht! Allerdings wollte ich jetzt auch nicht alles hochspielen, lagen doch auch meine Nerven seit einiger Zeit ein bisschen blank. Waren wir nicht alle ein bisschen angeschlagen? Es war der Weg, der Jakobsweg, der längst in Vergessenheit geratene Dinge hochkochte! Auf diesem Weg muss man sich der Wahrheit stellen. Koste es, was es wolle. Hier hilft alles nichts. Sogar bei mir, mit über 50 Jahren, kochte die Kindheit von Zeit zu Zeit hoch. Auch ich hätte noch einiges mit meiner Mutter zu klären, vielleicht sogar zu bereinigen. Doch leider war es hierfür zu spät. Meine Mutter war bereits vor vielen Jahren verstorben. Also hatte ich schon vor langer Zeit beschlossen mich mittels »Fernwartung« mit ihr in Verbindung zu setzen. Aber es brauchte halt alles seine Zeit. Jetzt war erst einmal meine Tochter wichtig. Aber wie ich meinen Mann kannte, seine äußerst einfühlsame, zuvorkommende und ausgleichende Art, würde er es schaffen, Larissa wieder ins Lot zu bringen. Wenn einer es schaffte, dann er! Ich war jetzt nicht gefragt. Mein Mann kam und was sage ich, er hatte es geschafft. Larissa hatte sich auch mal ihre Sorgen von der Seele reden können und hatte sogar schon wieder ein bisschen lachen müssen. Die Kleine schlief selig in ihrem Bettchen und sie hatten verabredeten, dass wir uns gegen ein Uhr nachmittags zur Besichtigung der Kathedrale von León treffen wollten. Erleichtert schlief auch ich ein bisschen ein. Tat doch gut, so ein Ruhetag, auch wenn er emotional gesehen sehr stürmisch war!
Pünktlich um ein Uhr standen wir alle am Gang vor unseren Zimmern und liefen gemeinsam Richtung Kathedrale. Wir waren beeindruckt von den Baulichkeiten, sprachen noch ein Gebet und begaben uns nach draußen, um in der Sonne noch einen guten Kaffee zu uns zu nehmen. Anschließend gingen wir noch ein bisschen die Fußgängerzone auf und ab und waren erleichtert, dass zumindest vordergründig unsere heutigen Differenzen ausgemerzt waren. Meine neuen Schuhe passten
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