Drei Generationen auf dem Jakobsweg
an immer wieder trafen, saßen in einer Ecke und sahen heute besonders traurig aus. Eine von ihnen kühlte sich mit Eiswürfeln die Achillessehne, die andere ihr rechtes Knie. Beide quälten sich seit Tagen, obwohl sie schon kleinere Etappen als anfangs liefen, mussten sie sich doch heute damit abfinden, aufzugeben. Beide Damen waren mit riesigen Rucksäcken und Schlafsäcken unterwegs, hatten sogar mangels Schlafplatz im Freien übernachtet und jetzt das. Sie waren unheimlich traurig. Am nächsten Tag wollten sie bis León mit dem Bus fahren und den nächsten Flieger nach Hause nehmen. Schade, aber auch so kann der Camino enden.
Als wir mit unserem Gläschen Wein und einer Zigarette in der Hand im Vorgarten unseres Hostals saßen, sahen wir plötzlich Manfred auf uns zu laufen. Manfred mit der lauten Stimme. Er fragte uns, wo wir denn untergekommen seien, wir deuteten nur hinter uns. Anschließend wollte er wissen, wo wir denn unser Pilgermenü einnehmen wollten. Wir deuteten ebenfalls hinter uns. Er erzählte uns, dass er und seine Frau in einer sehr günstigen Pension ganz in unserer Nähe untergekommen seien und er sich überlegte, ob nicht beide hier, mit uns zusammen, das Pilgermenü einnehmen sollten. Er überlegte nicht lange, sondern blieb gleich bei uns. Seine Frau Erika zitierte er per Handy kurzerhand dazu. Dieser Befehlston war mir fremd. Es war zwar mal ganz nett, mit anderen zu plaudern, aber wir vier (unsere Kleingruppe) waren uns eigentlich genug. Franzi forderte am Abend zu Recht die Aufmerksamkeit von uns allen ein. Dies bedeutete, dass sie nach dem Essen nicht stundenlang sitzen bleiben, sondern unterhalten werden wollte. Auch Larissa wollte mal ihre Eindrücke und ihre Sicht der Dinge besprechen. Es kam, wie ich es mir vorgestellt hatte. Franzi wollte sich geschickt in Szene setzen und auch mitquatschen, aber Manfred ließ sich darauf nicht ein. Im Gegenteil, seine Stimme wurde immer lauter. Er erzählte ohne Pause seine Ereignisse des Tages. Seine Frau hatte ohnehin nichts zu melden. Als Larissa nach dem Essen unsere Kleine zusammenpackte und ins Zimmer verschwand, war ich ziemlich unglücklich. Ich ließ Peter mit dem Ehepaar alleine, Peter wusste genau, was mich bewegte, blieb aber aus Höflichkeit noch eine Weile bei ihnen sitzen. Erst später kam er, nachdem er unsere Rechnung bezahlt und Manfred und Erika sich verabschiedet hatten , mir nach. Er brachte den Rest aus unserer Flasche Wein, wir rauchten noch eine Zigarette und gingen anschließend auch ins Bett.
8. Juni Mansilla de las Mulas – León (21 km)
Heute gab es ein zügiges Frühstück, wollten wir doch schnell los, da die Strecke nach León laut Reiseführer heute ziemlich langweilig zu werden schien und wir diese so schnell als möglich hinter uns bringen wollten. In den nächsten zwei Stunden durchquerten wir zwei kleinere Orte, Villamoros de Mansilla und gleich darauf Puente Villarente. Unserer Larissa ging es heute wieder einmal nicht schnell genug und so schaltete sie den Turbo ein und rollte eilig voraus. Der Weg nach León führte heute zum größten Teil an der Straße entlang und war von der ersten Minute an langweilig wie vorhergesehen. Diesen Weg hätte man meiner Meinung nach auslassen können. Aber »pilgern« heißt ja auch »leiden«, auch wenn es nicht immer körperliche Leiden sein müssen. Leiden kann man auch an Eintönigkeit und Verkehrslärm. Bei mir kam heute beides zusammen. Nach diesen elf Kilometern Strecke und zwei Stunden Gehzeit trafen wir in Arcahueja wieder auf Larissa und Franzi. Vor einer Bäckerei hatten sie die Kinderkutsche geparkt und saßen mit bester Laune bei Kaffee und Kakao. Die Kleine war ausgeschlafen und bestens gelaunt. Als sie uns durch die Türe kommen sah, war sie nicht mehr zu bremsen. Omi und Opi waren wieder da. Wir gesellten uns auf eine Tasse Kaffee dazu und ließen uns von der guten Laune anstecken, bevor wir dann in Richtung Puente Castro aufbrachen. Heute würden wir León erreichen und das Erste, was ich tue, ist ein Schuhgeschäft anzusteuern. Peter machte sich mehr Sorgen um meine Füße als ich und meinte: »Sollen wir nicht einfach mit dem Bus bis León fahren, damit du deine Füße schonen kannst ?« Sogar Larissa war bereit mit dem Bus zu fahren, denn mittlerweile hatte auch sie einmal abends gesehen, wie geschwollen mein rechter Fuß wirklich war. Aber das wollte ich nicht. Jetzt waren wir schon so weit gekommen. Die nächsten zehn Kilometer schafften wir heute auch
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