Drei Generationen auf dem Jakobsweg
Möglichkeiten. Entweder wir bekommen die Telefonnummer des Gepäcktransfers heraus, was sicher nicht schwer sein dürfte, oder ihr beide geht nur mit dem kleinen Tagesrucksack über den Pass. Ich nehme zusammen mit Franzi ein Taxi, unsere drei großen Rucksäcke, die Kinderkutsche und fahre die 30 Kilometer bis zum nächsten Ort. So könnt ihr die Passstrecke stressfrei bewältigen .« Beide meinten zwar, dass auch ich mich darauf gefreut hätte, was auch stimmte, natürlich wäre ich gerne zusammen mit Peter an dem Ort gewesen, worauf er sich am meisten freute. Aber was hätte ich denn für ein schlechtes Gewissen gehabt? Hätte den ganzen Tag darüber nachgedacht, dass ich einen der beiden im Stich ließ. Ginge ich mit Tochter und Enkelin die Straße entlang, um sie zu beschützen, ließe ich meinen Mann im Stich. Ginge ich zusammen mit meinem Mann, hätte ich das Gefühl, Tochter und Enkelin im Stich zu lassen. Dann noch der Gedanke, was alles so passieren könnte. Ich würde mir den ganzen Tag das Hirn zermartern und somit völlig zermatscht ankommen. Egal, wie ich mich entscheide. Also konnte es nur richtig sein, den beiden den Weg zu ermöglichen. Auch muss ich gestehen, dass der Gedanke, einen Tag mit meiner kleinen Enkelin alleine und in Ruhe verbringen zu können, schon für großen Trost sorgte. Allerdings überließ ich die Entscheidung meinem Mann und meiner Tochter. Entweder Rucksacktransfer und wir gehen ohne Gepäck, was ich persönlich für keine gute Idee hielt, oder ich würde ihnen alles abnehmen, beide gingen ohne Franzi und mich und wir würden uns im Hostal in Triacastela wiedertreffen.
Aber jetzt mussten wir heute erst mal an unser vorgegebenes Ziel marschieren. Als wir uns wieder aufmachten, ging mein Wunsch in Erfüllung, wir trafen auf Maxi aus Wien. Ich sagte: »Sie schickt der Himmel«, und sie erwiderte: »Ich weiß !« Ich weiß ?, schoss es mir durch den Kopf! Woher wusste sie das!? Auf mein Nachfragen überreichte sie mir schnell die Adresse und die Telefonnummer des Jaco -Transportes. Ich erzählte ihr von meinem Vorhaben für morgen und auch sie fand meine Gedanken absolut richtig. Nun liefen wir zusammen mit Maxi ein strammes Tempo, denn wir hatten ja noch zehn Kilometer vor uns. Immer erst einmal die Straße lang. Maxi erzählte uns von anderen Pilgern, deren Humor oder traurigen Schicksalen.
Ehe wir uns versahen, waren wir in Ruitelan angekommen. Hier saßen wir an einem kleinen Platz direkt vor einem kleinen Speiselokal und machten Rast, wissend, dass wir noch ungefähr fünf Kilometer bis Las Herrerias vor uns hatten. Wie üblich bestellten wir uns ein großes Bier und etwas zu essen. Endlich konnte ich meine Füße entlasten und die Schuhe wechseln. Die nächsten fünf Kilometer wollte ich wie immer in belüfteten Füßen zurücklegen. Maxi wollte in diesem Ort übernachten. Jetzt kam rufend und strahlend eine Pilgerin auf uns zu. Beate. Sie hatte schon mehrere Etappen mit Maxi zusammen hinter sich gebracht. Beate war eine Person der harten Sorte. Sie schlief generell nur in Pilgerherbergen. Wir kamen ins diskutieren und philosophieren. Beate hatte sich zum Ziel gesteckt, wieder daheim einen Kalender mit ihrem jeweiligen Tagesmotto zu kreieren und herauszubringen. Sie suchte gerade nach dem Motto ihres heutigen Tages. Interessant, was sich so jeder vornahm. Beate musste aber fast fluchtartig aufbrechen, da sie noch kein Bett für heute Nacht hatte. Sie verabschiedete sich mit den Worten: »Vielleicht sieht man sich ja noch mal, alles Gute für euch !«
Auch wir machten uns langsam auf die letzten Kilometer des Tages. Maxi begleitete uns noch ein Stück, bis linker Hand dann ein Pfeil auf ihre Pension hinwies. Wir verabschiedeten uns und dachten, Maxi in den nächsten Tagen wiederzusehen. Aber weit daneben. Wir sollten nicht mehr auf Maxi treffen. Larissa und Franzi liefen heute schon die letzten zehn Kilometer mit einer jüngeren Pilgerin, welche wir ebenfalls seit Tagen immer mal wieder trafen. Larissa erzählte uns später, die Pilgerin namens Angela sei Psychotherapeutin und sie hätte tolle Gespräche mit ihr gehabt. Franzi war auch ganz angetan. Die letzten Kilometer zogen sich immer leicht bergauf. Plötzlich ging mir, wie bereits einige Tage zuvor, das Wort, »aufräumen« durch den Kopf. Noch immer wusste ich nichts damit anzufangen Jetzt fiel mir das Buch des Bestsellerautors Werner Küstenmacher » simplify your life « ein, das ich vor Jahren gelesen hatte.
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