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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Gott!« Er ging zu seinem Schreibtisch und blieb dort stehen, klein und abwesend neben dem riesigen, blanken Möbel. »Ich bin jetzt bald sechzig«, sagte er, ohne mich anzusehen, »aber ich könnte das nicht. Ich würde immer wieder alles versuchen, immer wieder, und wenn ich genau wüßte, daß es zwecklos wäre.«
     Ich schwieg. Jaffé stand da, als hätte er alles um sich herum vergessen. Dann machte er eine Bewegung, und sein Gesicht wechselte den Ausdruck. Er lächelte. »Ich glaube bestimmt, daß sie oben den Winter gut überstehen wird.«
    »Nur den Winter?« fragte ich.
     »Ich hoffe, daß sie dann im Frühjahr wieder herunter kann.«
     »Hoffen«, sagte ich, »was heißt hoffen?«
     »Alles«, erwiderte Jaffé. »Immer alles. Ich kann Ihnen jetzt nicht mehr sagen. Das andere sind Möglichkeiten. Man muß sehen, wie es oben wird. Aber ich hoffe bestimmt, daß sie im Frühjahr zurückkommen kann.«
     »Bestimmt?«
     »Ja.« Er ging um den Schreibtisch herum und stieß mit
    dem Fuß eine offenstehende Schublade so heftig zu, daß die Gläser klirrten. »Verdammt, Mann, es geht mir doch selber nahe, daß sie weg muß!« murmelte er.
     Eine Schwester kam herein. Jaffé winkte ihr ab. Sie blieb trotzdem stehen, untersetzt, vierschrötig, mit einem Bulldoggengesicht unter grauem Haar.
    »Nachher!« knurrte Jaffé, »kommen Sie nachher wieder!«
     Die Schwester drehte sich ärgerlich um. Im Hinausgehen knipste sie das elektrische Licht aus. Grau und milchig stand plötzlich der Tag in dem großen Raum. Jaffés Gesicht war auf einmal ganz fahl. »Alte Hexe!« sagte er. »Seit zwanzig Jahren will ich sie schon 'rauswerfen. Ist nur zu tüchtig.« Dann wandte er sich mir zu. »Nun?«
     »Wir fahren heute abend«, sagte ich.
     »Heute?«
     »Ja. Wenn es schon sein muß, dann ist heute besser als morgen. Ich werde sie hinbringen. Ein paar Tage kann ich schon hier weg.«
     Er nickte und gab mir die Hand.
     Ich ging. Der Weg zur Tür erschien mir sehr weit.
     Draußen blieb ich stehen. Ich merkte, daß ich die Briefe noch in der Hand hatte. Der Regen klatschte auf das Papier. Ich wischte die Briefe ab und steckte sie in die Brusttasche. Dann sah ich mich um. Ein Omnibus hielt gerade vor dem Hause. Er war voll besetzt, und ein Schwarm von Leuten drängte hinaus. Ein paar Mädchen in schwarzen, glänzenden Regenmänteln lachten mit dem Schaffner. Er war jung, und die weißen Zähne blitzten in seinem braunen Gesicht. Das geht doch nicht, dachte ich, das kann doch alles nicht stimmen! So viel Leben, und Pat muß fort!
     Der Omnibus fuhr klingelnd ab. Seine Räder spritzten eine Garbe Wasser über den Bürgersteig. Ich ging weiter, um Köster Bescheid zu sagen und die Fahrkarten zu besorgen.

     Mittags kam ich nach Hause. Ich hatte alles erledigt und auch dem Sanatorium schon telegrafiert. »Pat«, sagte ich noch in der Tür, »kannst du bis heute abend alles gepackt haben?«
     »Muß ich fort?«
     »Ja«, sagte ich. »Ja, Pat.«
     »Allein?«
     »Nein. Wir fahren zusammen. Ich bringe dich hin.«
     Ihr Gesicht bekam wieder Farbe. »Wann muß ich fertig sein?« fragte sie.
     »Der Zug fährt heute abend um zehn.«
     »Und gehst du jetzt noch einmal fort?«
     »Nein. Ich bleibe hier, bis wir wegfahren.«
     Sie atmete tief. »Dann ist es ganz einfach, Robby«, sagte sie. »Wollen wir gleich anfangen?«
     »Wir haben noch Zeit.«
     »Ich möchte gleich anfangen. Dann ist es fertig.«
     »Gut.«
     Ich verstaute die paar Sachen, die ich mitnehmen wollte, rasch und war in einer halben Stunde fertig. Dann ging ich zu Frau Zalewski hinüber und sagte ihr, daß wir abends reisen würden. Ich machte mit ihr ab, daß das Zimmer zum ersten November frei würde, wenn sie es nicht früher vermieten könnte. Sie wollte ein langes Gespräch beginnen, aber ich ging rasch wieder zurück.
     Pat kniete vor ihrem Schrankkoffer, rundum hingen ihre Kleider, auf dem Bett lag Wäsche, und sie packte gerade ihre Schuhe ein. Ich erinnerte mich daran, daß sie auch so gekniet hatte, als sie in dieses Zimmer eingezogen war und ausgepackt hatte, und mir schien, als wäre das endlos lange her und doch eigentlich erst gestern gewesen. Sie sah auf. »Nimmst du das silberne Kleid auch mit?« fragte ich.
     Sie nickte. »Was machen wir nur mit all den andern Sachen, Robby? Mit den Möbeln?«
     »Ich habe schon mit Frau Zalewski gesprochen. Soviel ich kann, nehme ich in mein Zimmer hinüber. Das übrige geben wir einer

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