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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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wegbringen lassen?« fragte der Arzt.
     »Ich habe ein Krankenauto bestellt bei der Charité«, erwiderte der jüngere Beamte. »Es muß gleich kommen.«
     Wir warteten. Es war still im Zimmer. Der Arzt kniete auf dem Boden neben Hasse. Er hatte ihm alle Kleider geöffnet und frottierte abwechselnd die Brust mit einem Handtuch und machte Wiederbelebungsversuche. Man hörte nur das Pfeifen und Röcheln der Luft, die in die toten Lungen aus- und einströmte.
     »Der zwölfte in dieser Woche«, sagte der jüngere Beamte.
     »Aus dem gleichen Grund?« fragte ich.
     »Nein. Fast alle wegen Arbeitslosigkeit. Zwei Familien, eine mit drei Kindern. Mit Gas natürlich. Familien nehmen fast immer Gas.«
     Die Träger kamen mit ihrer Bahre. Frida huschte mit ihnen hinein. In einer Art Gier starrte sie Hasses kläglichen Körper an. Sie hatte rote Flecken im Gesicht und schwitzte. »Was wollen Sie hier?« fragte der ältere Beamte grob.
     Sie fuhr zurück. »Ich muß doch meine Aussage machen«, stotterte sie.
    »'raus!« sagte der Beamte.
    Die Träger legten eine Decke über Hasse und brachten ihn
    hinaus. Dann gingen auch die beiden Beamten. Sie nahmen die Papiere mit. »Er hat das Geld für das Begräbnis deponiert«, sagte der jüngere. »Wir werden es der zuständigen Stelle übergeben. Wenn die Frau kommt, sagen Sie ihr bitte, sie möge sich bei der Kriminalpolizei des Reviers melden. Er hat ihr sein Geld vermacht. Können die übrigen Sachen einstweilen hier bleiben?«
     Frau Zalewski nickte. »Das Zimmer ist doch nicht mehr zu vermieten.«
     »Schön.«
     Der Beamte grüßte und ging. Wir gingen ebenfalls hinaus. Orlow schloß die Tür ab und gab Frau Zalewski den Schlüssel. »Am besten ist, es wird möglichst wenig über die ganze Sache geredet«, sagte ich.
     »Das meine ich auch«, sagte Frau Zalewski.
     »Ich denke vor allem an Sie, Frida«, fügte ich hinzu.
     Frida wachte aus einer Art von Geistesabwesenheit auf. Ihre Augen glänzten. Sie antwortete nicht.
     »Sollten Sie ein Wort zu Fräulein Hollmann erzählen«, sagte ich, »dann gnade Ihnen Gott!«
     »Das weiß ich selbst«, erwiderte sie patzig. »Die arme Dame ist viel zu krank dazu!«
     Ihre Augen funkelten. Ich mußte mich beherrschen, ihr keine Ohrfeige herunterzuhauen.
     »Der arme Hasse!« sagte Frau Zalewski.
     Es war ganz dunkel auf dem Korridor. »Sie waren ziemlich grob gegen den Grafen Orlow«, sagte ich zu dem Rechnungsrat.
     »Wollen Sie ihm nicht ein paar Worte der Entschuldigung sagen?«
     Der Alte starrte mich an. Dann stieß er hervor: »Ein deutscher Mann entschuldigt sich nicht! Schon gar nicht bei einem Asiaten!« und warf die Tür krachend hinter sich zu.
     »Was ist denn mit dem Briefmarkenhengst los?« fragte ich erstaunt.
     »Der war doch immer sanft wie ein Lamm.«
     »Er läuft seit ein paar Monaten in jede Wahlversammlung«, erwiderte Georgie aus dem Dunkel.
     »Ach so!«
     Orlow und Erna Bönig waren schon gegangen. Frau Zalewski begann plötzlich zu weinen. »Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen«, sagte ich. »Es ist ja doch nichts dran zu ändern.«
     »Es ist zu schrecklich«, schluchzte sie. »Ich muß ausziehen, ich komme nicht darüber weg!«
     »Sie werden schon darüber wegkommen«, sagte ich. »Ich habe einmal ein paar hundert Leute so gesehen. Gasvergiftete Engländer. Bin auch drüber weggekommen.«
     Ich gab Georgie die Hand und ging in mein Zimmer. Es war dunkel. Unwillkürlich sah ich zum Fenster, ehe ich Licht machte. Dann horchte ich zu Pat hinüber. Sie schlief. Ich ging zum Schrank, holte die Flasche Kognak und schenkte mir ein Glas ein. Es war guter Kognak, und es war gut, ihn zu haben. Ich stellte die Flasche auf den Tisch. Das letzte Glas daraus hatte Hasse getrunken. Ich dachte darüber nach, daß es besser gewesen wäre, ihn nicht allein zu lassen. Ich war bedrückt, aber ich konnte mir keinen Vorwurf machen. Ich hatte so vieles mitgemacht, daß ich wußte, daß entweder alles, was man tat, ein Vorwurf war, oder daß es nie einen gab. Es war das Unglück Hasses gewesen, daß ihm das an einem Sonntag passiert war. An einem Wochentag wäre er ins Büro gegangen und vielleicht darüber hinweggekommen.
     Ich trank noch einen Kognak. Es hatte keinen Zweck, darüber nachzudenken. Wer weiß, was einem selber noch alles bevorstand. Kein Mensch wußte, ob er den, den er jetzt bedauerte, nicht noch einmal für glücklich halten würde.
     Ich hörte, wie Pat sich regte, und ging

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