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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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rief Rosa.
     »Total!«
     Ich stand beschämt da, und, verdammt, ich war gerührt bis auf die Knochen. »Kinder«, sagte ich, »wißt ihr, wann ich zum letztenmal beschert worden bin? Ich weiß es gar nicht mehr. Es muß vor dem Kriege gewesen sein. Aber nun habe ich gar nichts für euch.«
     Eine gewaltige Freude brach los, weil ich so glänzend überrumpelt worden war. »Weil du uns immer was vorgespielt hast«, sagte Lina errötend.
     »Ja, du spielst uns was vor, das ist dein Geschenk«, erklärte
    Rosa.
    »Was ihr wollt«, sagte ich. »Alles, was ihr wollt.«
    »Aus der Jugendzeit«, rief Marion.
    »Nein, was Lustiges«, widersprach Kiki.
     Er wurde überstimmt. Als Homo wurde er ohnehin nicht ganz für voll genommen. Ich setzte mich ans Klavier und begann. Alle sangen mit.
     »Aus der Jugendzeit – klingt ein Lied mir immerdar –
     O wie liegt so weit – was mein einst war...«
     Die Wirtin drehte alles elektrische Licht aus. Nur noch das milde Licht der Kerzen war da. Leise plätscherte der Bierhahn wie eine ferne Quelle im Walde, und der plattfüßige Alois geisterte im Hintergrunde wie ein schwarzer Pan hin und her. Ich fing die zweite Strophe an. Mit glänzenden Augen und guten Kleinbürgerinnengesichtern standen die Mädchen um das Klavier herum – aber sieh da, wer heulte Rotz und Tränen? Kiki, Salzbrezelkiki aus Luckenwalde.
     Leise öffnete sich die Tür des großen Vereinszimmers. Melodisch brummend zog im Gänsemarsch die Liedertafel herein und stellte sich hinter den Mädchen auf. Grigoleit mit einer schwarzen Brasilzigarre an der Spitze.
     »Als ich Abschied nahm – war die Welt mir voll so sehr –
     Als ich wiederkam – war alles leer...«
     Leise verhallte der gemischte Chor. »Schön«, sagte Lina.
     Rosa zündete die Wunderkerzen an. Sie zischten und sprühten. »So, und nun was Lustiges!« rief sie. »Kiki muß aufgeheitert werden.«
     »Ich auch«, sagte Stefan Grigoleit.
     Um elf Uhr kamen Köster und Lenz. Wir setzten uns mit dem blassen Georgie an einen Tisch neben der Theke. Georgie bekam ein paar Schnitten trockenes Brot zu essen, damit er wieder taktfest wurde. Bald darauf war Lenz im Tumult der Viehkommissionäre verschwunden. Eine Viertelstunde später sahen wir ihn mit Grigoleit an der Theke auftauchen. Beide schlangen die Arme ineinander und tranken Brüderschaft.
     »Stefan!« sagte Grigoleit.
     »Gottfried!« erwiderte Lenz, und beide schütteten den Kognak hinunter.
     »Ich schicke dir morgen ein Paket Blut- und Leberwurst, Gottfried. In Ordnung?«
     »In bester Ordnung!« Lenz schlug ihm auf die Schulter. »Alter, guter Stefan!«
     Stefan strahlte. »Du kannst so schön lachen«, sagte er begeistert. »Ich habe gern, wenn einer gut lachen kann. Ich werde zu leicht traurig, das ist mein Fehler.«
     »Meiner auch«, erwiderte Lenz, »deshalb lache ich ja. Komm, Robby, trink einen mit auf das endlose Weltgelächter!«
     Ich ging zu ihnen hin. »Was hat denn der Kleine da?« fragte Stefan und zeigte auf Georgie. »Der sieht mächtig traurig aus.«
     »Der ist leicht glücklich zu machen«, sagte ich. »Der braucht nur etwas Arbeit.«
     »Kunststück«, antwortete Stefan. »Heutzutage.«
     »Er macht alles.«
     »Machen alle alles heutzutage.« Stefan wurde nüchterner.
     »Der Junge braucht fünfundsiebzig Mark im Monat.«
    »Unsinn. Damit kommt er nicht aus.«
    »Der kommt damit aus«, sagte Lenz.
     »Gottfried«, erwiderte Grigoleit, »ich bin ein alter Säufer. Gut. Aber Arbeit ist etwas Ernstes. Kann man jemand nicht heute geben und morgen wieder wegnehmen. So was ist schlimmer als heiraten lassen und morgen die Frau wieder wegnehmen. Aber wenn der Junge ehrlich ist und mit fünfundsiebzig Mark auskommt, hat er Schwein gehabt. Kann sich Dienstag acht Uhr bei mir melden. Brauche eine Hilfe für meine Laufereien mit dem Verein und so. Ab und zu ein Paket mit Geschlachtetem gibt's extra. Scheint was in die Rippen haben zu müssen.«
     »Ist das ein Wort?« fragte Lenz.
     »Es ist ein Wort von Stefan Grigoleit.«
     »Georgie«, rief ich, »komm mal her.«
     Er begann zu zittern, als er es hörte. Ich ging zu Köster zurück. »Hör mal, Otto«, sagte ich, »wenn du dein Leben noch einmal von vorn leben könntest, möchtest du das?«
     »Genauso, wie es war?«
     »Ja.«
     »Nein«, sagte Köster.
     »Ich auch nicht«, sagte ich.

      24 Es war drei Wochen später, an einem kalten Abend im Januar. Ich saß im International und spielte mit dem

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