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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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dazu an.«
     »Was ziehst du denn dazu an? Das silberne Kleid?«
     »Ja, Robby. Das silberne Kleid, in dem du mich durch den Korridor getragen hast.«
     »Und mit wem gehst du?«
     »Mit niemand. Es ist doch hier im Sanatorium. Unten in der Halle. Da kennen sich alle.«
     »Es muß schwer sein für dich, mich nicht zu betrügen«, sagte ich. »In dem silbernen Kleid.«
     Sie lachte. »In dem schon gar nicht. Da habe ich Erinnerungen.«
    »Ich auch. Ich habe gesehen, wie es wirkt. Aber ich will es auch gar nicht so genau wissen. Du kannst mich betrügen, ich will es nur nicht wissen. Nachher, wenn du zurückkommst, ist es dann nur wie geträumt für dich und vergessen und vorbei.«
     »Ach, Robby«, sagte sie langsam, und ihre Stimme klang tiefer als vorher. »Ich kann dich nicht betrügen. Dafür denke ich viel zuviel an dich. Du weißt nicht, wie das hier oben ist. Ein strahlendes, schönes Gefängnis. Man lenkt sich ab, so gut es geht, das ist alles. Wenn ich an dein Zimmer denke, dann weiß ich manchmal nicht, was ich tun soll, dann gehe ich an den Bahnhof und sehe die Züge an, die von unten kommen, und denke, daß ich dir dann näher bin, wenn ich in ein Abteil einsteige oder so tue, als ob ich jemand abholen will.«
     Ich biß die Lippen zusammen. Ich hatte sie noch nie so sprechen hören. Sie war immer scheu gewesen, und ihre Zuneigung hatte viel mehr in einer Gebärde, einem Blick gelegen als in Worten.
     »Ich werde zusehen, daß ich dich einmal besuchen kann, Pat«, sagte ich.
    »Wirklich, Robby?«
    »Ja, vielleicht Ende Januar.«
     Ich wußte, daß es kaum möglich war, denn von Februar an mußten wir ja auch noch das Geld für das Sanatorium aufbringen. Aber ich sagte es ihr, damit sie etwas hatte, woran sie denken konnte. Es war dann später nicht so schwer, es weiter zu verschieben, bis der Tag kam, wo sie wieder herunter konnte.
     »Leb wohl, Pat«, sagte ich. »Laß es dir gut gehen. Sei froh, dann bin ich auch froh. Sei froh heute abend.«
     »Ja, Robby, heute bin ich glücklich.«

    Ich holte Georgie ab und ging mit ihm zum Café International. Die alte, verräucherte Bude war kaum wiederzuerkennen. Der Weihnachtsbaum brannte, und sein warmes Licht spiegelte sich in allen Flaschen, Gläsern und dem Nickel und Kupfer der Theke. Die Huren saßen in Abendkleidern, mit falschem Schmuck behangen, erwartungsvoll um einen Tisch herum.
     Punkt acht Uhr marschierte die Liedertafel der vereinigten Viehkommissionäre ein. Sie formierten sich an der Tür nach Stimmen, rechts der erste Tenor, ganz links der zweite Baß. Stefan Grigoleit, der Witwer und Schweinehändler, zog eine Stimmgabel hervor, verteilte die Töne, und dann ging es vierstimmig los:

     »Heilige Nacht, o gieße du – Himmelsfrieden in dies Herz – Schenk dem armen Pilger Ruh – Holde Labung seinem
                                                  Schmerz – Hell schon erglühn die Sterne – Leuchten aus blauer Ferne – Möchten zu dir mich gerne ziehn – himmelwärts.«

    »Rührend«, sagte Rosa und wischte sich die Augen.
    Die zweite Strophe verklang. Donnernder Beifall erscholl.
    Die Liedertafel verbeugte sich dankend. Stefan Grigoleit wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Beethoven bleibt Beethoven«, erklärte er.
     Niemand widersprach. Stefan steckte das Schnupftuch ein. »Und nun 'ran an die Gewehre!«
     Der Eßtisch war im großen Vereinszimmer gedeckt. In der Mitte prangten auf silbernen Platten über kleinen Spirituslämpchen braun und knusprig die beiden Spanferkel. Sie hatten Zitronen in den Schnauzen, kleine, brennende Tannenbäume auf dem Rücken und wunderten sich über gar
    nichts mehr.
     Alois erschien in einem neu aufgefärbten Frack, einem Geschenk des Wirts. Er brachte ein halbes Dutzend Kruken mit Steinhäger und schenkte ein. Mit ihm kam Potter von der Feuerbestattungsgesellschaft, der noch eine Verbrennung geleitet hatte.
     »Friede auf Erden!« sagte er großartig, reichte Rosa die Hand und nahm neben ihr Platz. Stefan Grigoleit, der Georgie sofort mit an die Tafel geladen hatte, stand auf und hielt die kürzeste und beste Rede seines Lebens. Er hob sein Glas mit dem glitzernden Wacholderschnaps hoch, sah sich strahlend um und rief: »Prost!«
     Dann setzte er sich wieder, und Alois schleppte die Eisbeine, das Sauerkraut und die Salzkartoffeln herein. Der Wirt kam mit großen, gläsernen Stangen goldgelben Pilseners.
     »Iß langsam, Georgie«,

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