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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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sagte ich. »Dein Magen muß sich erst an das fette Fleisch gewöhnen.«
     »Ich muß mich überhaupt erst gewöhnen«, erwiderte er und sah mich an.
     »Das geht schnell«, sagte ich. »Man darf nur nicht vergleichen. Dann geht's immer.«
     Er nickte und beugte sich wieder über seinen Teller.
     Plötzlich entstand am untern Tischende Streit. Potters krähende Stimme war zu hören. Er hatte dem Zigarrenhändler Busch, einem Gast, zutrinken wollen, aber Busch hatte sich geweigert mit der Begründung, er wolle nicht trinken, um mehr essen zu können.
     »Das ist Blödsinn«, schimpfte Potter. »Zum Essen muß man doch trinken! Wer trinkt, kann sogar noch mehr
    essen.«
     »Quatsch!« brummte Busch, ein hagerer, langer Mensch mit platter Nase und Hornbrille.
     Potter fuhr hoch. »Quatsch? Das sagst du zu mir, du Tabakeule?«
     »Ruhe!« rief Stefan Grigoleit. »Keinen Krach am Weihnachtsabend!«
     Er ließ sich erklären, um was es sich handelte, und fällte ein salomonisches Urteil. Die Sache sollte ausprobiert werden. Vor jeden der beiden Kämpfer wurden mehrere gleich große Schüsseln aufgestellt mit Fleisch, Kartoffeln und Kraut. Es waren riesenhafte Portionen. Potter durfte dazu trinken, was er wollte, Busch mußte trocken bleiben. Um dem Ganzen Reiz zu geben, wurde auf beide gewettet. Grigoleit übernahm den Totalisator.
     Potter baute einen Kranz von Biergläsern um sich auf, dazwischen wie Diamanten kleine Gläser mit Steinhäger. Die Wetten standen 3:1 für ihn. Dann startete Grigoleit die beiden.
     Busch fraß verbissen, tief über den Teller geduckt. Potter kämpfte in offener, aufrechter Haltung.
     Bei jedem Schluck, den er nahm, rief er Busch ein frohlockendes Prost zu, das dieser mit einem gehässigen Blick beantwortete.
     »Mir wird schlecht«, sagte Georgie zu mir.
    »Komm mit 'raus.«
    Ich brachte ihn in den Waschraum und setzte mich dann in
    den Vorderraum, um auf ihn zu warten.
     Der süße Duft der Kerzen mischte sich mit dem Knistern und dem Geruch verbrennender Tannennadeln. Und plötzlich war es mir, als hörte ich leichte, geliebte Schritte, als spürte ich einen warmen Atem und sähe zwei Augen dicht vor mir...
     »Verdammt«, sagte ich und stand auf. »Was ist denn mit mir los?«
     Im selben Moment hörte ich gewaltiges Gebrüll. »Potter! Bravo, Aloysius!«
     Die Feuerbestattung hatte gesiegt.

     Im Hinterzimmer qualmten die Zigarren, und der Kognak wurde aufgefahren. Ich saß immer noch neben der Theke. Die Mädchen kamen nach vorn und tuschelten eifrig.
     »Was habt ihr denn?« fragte ich.
     »Wir haben doch auch unsere Bescherung«, erwiderte Marion.
     »Ach so.« Ich lehnte den Kopf an die Theke und dachte daran, was Pat jetzt wohl täte. Ich stellte mir die Halle des Sanatoriums vor, den brennenden Kamin und Pat an einem der Fenstertische mit Helga Guttmann und irgendwelchen Leuten. Es war alles schon so schrecklich lange her. Manchmal dachte ich, daß man morgens einmal aufwachen könnte und daß dann alles vorbei wäre, was früher gewesen war, vergessen, versunken, ertrunken. Es gab nichts Sicheres – nicht einmal die Erinnerung.
     Eine Klingel läutete. Die Mädchen rannten wie eine Schar aufgescheuchter Hühner zum Billardzimmer hinüber. Da stand Rosa mit der Klingel. Sie winkte mir, auch zu kommen. Unter einer kleinen Tanne stand auf dem Billardtisch eine Anzahl mit Seidenpapier verdeckter Teller. Auf jedem lag ein Zettel mit einem Namen, darunter die Päckchen mit den Geschenken, die die Mädchen sich gegenseitig machten. Rosa hatte das alles arrangiert. Jede hatte ihr ihre eingepackten Geschenke für die andern geben müssen, und sie hatte alles auf die Teller geordnet.
     Aufgeregt plapperten die Mädchen durcheinander, eilig wie Kinder, um so rasch wie möglich zu sehen, was sie bekommen hatten. »Willst du deinen Teller nicht haben?« fragte Rosa.
     »Was für einen Teller?«
     »Deinen. Du wirst doch auch beschert.«
     Wahrhaftig, da stand mein Name, in zwei Farben, rot und schwarz, in Rundschrift sogar. Äpfel, Nüsse, Apfelsinen – von Rosa ein selbstgestrickter Pullover, von der Wirtin ein grasgrüner Schlips, vom schwulen Kiki ein Paar echt kunstseidene rosa Socken, von Wally, der Schönen, ein Ledergürtel, vom Kellner Alois eine halbe Flasche Rum, von Marion, Lina und Mimi zusammen ein halbes Dutzend Taschentücher, und vom Wirt zwei Flaschen Kognak.
     »Kinder«, sagte ich. »Kinder, das ist aber ganz unerwartet.«
     »Überraschung?«

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