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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Nur nichts hören! Das gibt's hier oft!«
     »Wie lange ist die Frau hier?«
     »Ungefähr zwei Jahre.«
    Ein Trupp junger Leute lief kichernd durch die Halle.
    Antonio lachte.
     »Die kommen von der Post. Sie haben an Roth ein Telegramm geschickt.«
    »Wer ist Roth?«
     »Das ist der, der nächstens abreist. Sie haben ihm telegrafiert, er dürfe wegen einer Grippeepidemie in seiner Heimat nicht abfahren und müsse noch hierbleiben. Das sind so übliche Scherze. Weil sie selbst hierbleiben müssen, verstehen Sie?«
     Ich schaute durch das Fenster auf den grauen Samt der verhangenen Berge. Das ist ja alles nicht wahr, dachte ich, das ist ja alles keine Wirklichkeit, so geht das doch nicht. Das ist doch nur eine Bühne hier, auf der ein bißchen Tod gespielt wird. Wenn man stirbt, das ist doch furchtbarer Ernst. Ich hätte den jungen Leuten nachgehen, ihnen auf die Schultern schlagen und sagen mögen: »Nicht wahr, das ist nur ein Salontod hier, und ihr seid nur lustige Sterbeamateure? Nachher wird wieder aufgestanden und sich verbeugt? So kann man doch nicht sterben, mit etwas Fieber und rauhem Atem, dazu gehören doch Schüsse und Wunden, so kenne ich es doch...«
     »Sind Sie auch krank?« fragte ich Antonio.
     »Natürlich«, sagte er lächelnd.
     »Wirklich herrlicher Kaffee«, lärmte die Kanonenkugel nebenan, »so was gibt's bei uns überhaupt nicht. Das reine Schlaraffenland!«
     Köster kam von der Wetterdienststelle zurück. »Ich muß fahren, Robby«, sagte er. »Das Barometer ist gefallen, und wahrscheinlich gibt es diese Nacht Schnee. Dann komme ich morgen nicht mehr durch. Heute abend geht's grade noch.«
     »Gut. Essen wir noch zusammen?«
     »Ja. Ich packe jetzt rasch.«
     »Ich komme mit«, sagte ich.
     Wir packten Kösters Sachen zusammen und brachten sie zur Garage hinunter. Dann gingen wir zurück, um Pat zu holen.
     »Wenn irgendwas ist, rufe mich an, Robby«, sagte Otto.
     Ich nickte.
     »Das Geld hast du in wenigen Tagen hier. Genug für einige Zeit. Tu alles, was nötig ist.«
     »Ja, Otto.« Ich zögerte. »Wir haben doch noch ein paar Ampullen Morphium zu Hause. Kannst du mir die schicken?«
     Er sah mich an. »Wozu willst du sie haben?«
     »Ich weiß nicht, wie das hier wird. Vielleicht ist es nicht nötig. Ich habe immer noch so eine Hoffnung, trotz allem. Immer, wenn ich sie sehe. Wenn ich allein bin, nicht. Aber ich möchte nicht, daß sie leidet, Otto. Daß sie so herumliegt und daß nichts mehr da ist als Schmerzen. Vielleicht geben sie es ihr hier dann auch so. Aber es ist mir eine Beruhigung, zu wissen, daß ich ihr helfen kann.«
     »Nur das, Robby?« fragte Köster.
     »Nur das, Otto. Bestimmt. Sonst würde ich es dir nicht sagen.«
     Er nickte. »Wir sind nur noch zwei«, sagte er langsam.
     »Ja.«
     »Gut, Robby.«
     Wir gingen in die Halle, und ich holte Pat herunter. Dann aßen wir rasch, denn es bezog sich immer mehr. Köster fuhr Karl aus der Garage zum Portal vor. »Mach's gut, Robby«, sagte er.
     »Du auch, Otto.«
     »Auf Wiedersehen, Pat.« Er gab ihr die Hand und sah sie an. »Im Frühjahr komme ich Sie holen.«
     »Leben Sie wohl, Köster.« Pat hielt seine Hand fest. »Ich freue mich so, Sie noch gesehen zu haben. Grüßen Sie auch Gottfried Lenz von mir.«
     »Ja«, sagte Köster.
     Sie hielt immer noch seine Hand. Ihre Lippen zitterten. Und plötzlich machte sie einen Schritt vor und küßte ihn. »Leben Sie wohl«, murmelte sie mit erstickter Stimme.
     Kösters Gesicht war auf einmal von einer hellroten Flamme durchflogen. Er wollte noch etwas sagen, aber er wandte sich ab, stieg in den Wagen, fuhr in einem Sprung an und jagte die Serpentinen hinunter, ohne sich umzusehen. Wir sahen ihm nach. Der Wagen donnerte die Hauptstraße entlang und zog die Kehren hinauf wie ein einsamer Leuchtkäfer, das fahle Feld der Scheinwerfer auf dem grauen Schnee vor sich. Auf der Höhe blieb er stehen, und Köster winkte. Er stand dunkel vor dem Licht. Dann verschwand er, und wir hörten noch lange das immer schwächer werdende Summen der Maschine.

     Pat stand vorgebeugt und lauschte, solange noch etwas zu vernehmen war. Dann wandte sie sich mir zu. »Jetzt ist das letzte Schiff abgefahren, Robby.«
     »Das zweitletzte«, erwiderte ich. »Das letzte bin ich. Und weißt du, was ich vorhabe? Ich will mir einen andern Ankerplatz suchen. Das Zimmer in der Dependance gefällt mir nicht mehr. Ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht zusammen wohnen können.

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