Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
legte ihr feuchtes Gesicht in meine Hände. »Es ist vorbei, Robby. Jetzt habe ich wieder einen Tag dazu.«

    Antonio brachte mir seinen Radioapparat. Ich schloß ihn
    an die Lichtleitung und die Heizung an und probierte ihn abends bei Pat aus. Er quarrte und quakte, dann löste sich plötzlich aus dem Schnarren eine zarte, klare Musik.
     »Was ist das, Liebling?« fragte Pat.
     Antonio hatte mir eine Radiozeitschrift mitgegeben. Ich
    schlug nach. »Rom, glaube ich.«
     Da kam auch schon die tiefe, metallische Stimme der Ansagerin. »Radio Roma – Napoli – Firenze...«
     Ich drehte weiter. Ein Klaviersolo. »Da brauche ich gar nicht nachzuschlagen«, sagte ich. »Das ist die Waldsteinsonate von Beethoven. Die habe ich auch mal spielen können in den Zeiten, als ich noch glaubte, irgendwann mal Studienrat, Professor oder Komponist zu werden. Jetzt kann ich sie längst nicht mehr. Wollen lieber weiterdrehen. Sind keine schönen Erinnerungen.«
     Ein warmer Alt, sehr leise und einschmeichelnd. »Parlez – moi d'amour.« – »Paris, Pat.«
     Ein Vortrag über die Bekämpfung der Reblaus. Ich drehte weiter. Reklamenachrichten. Ein Quartett. »Was ist das?« fragte Pat.
     »Prag. Streichquartett, Opus 59, zwei, Beethoven«, las ich vor.
     Ich wartete, bis der Satz zu Ende war, dann drehte ich weiter, und auf einmal war eine Geige da, eine wunderbare Geige. »Das wird Budapest sein, Pat. Zigeunermusik.«
     Ich stellte die Skala genau ein. Voll und weich schwebte jetzt die Melodie über dem mitflutenden Orchester von Cimbals, Geigen und Hirtenflöten. »Herrlich, Pat, was?«
     Sie schwieg. Ich wandte mich um. Sie weinte mit weit geöffneten Augen. Ich stellte mit einem Ruck den Apparat ab. »Was ist denn, Pat?« Ich legte den Arm um ihre schmalen Schultern.
     »Nichts, Robby. Es ist dumm von mir. Nur wenn man das so hört, Paris, Rom, Budapest – mein Gott, und ich wäre schon froh, wenn ich noch einmal ins Dorf hinunter könnte.«
     »Aber Pat.«
     Ich sagte ihr alles, was ich ihr sagen konnte, um sie darüber wegzubringen. Aber sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht traurig, Liebling. Du mußt das nicht glauben. Ich bin nicht traurig, wenn ich weine. Es kommt wohl mal so, aber nicht lange. Dafür denke ich viel zuviel nach.«
     »Worüber denkst du denn nach?« fragte ich und küßte ihr
    Haar.
     »Über das einzige, worüber ich noch nachdenken kann – über Leben und Sterben. Wenn ich dann traurig bin und nichts mehr verstehe, sage ich mir, daß es besser ist, zu sterben, wenn man noch leben möchte, als zu sterben und man möchte auch sterben. Was meinst du?«
    »Ich weiß nicht.«
     »Doch.« Sie lehnte den Kopf an meine Schulter. »Wenn man noch leben möchte, dann ist etwas da, was man liebt. Es ist schwerer, aber auch leichter. Sieh, sterben hätte ich doch müssen, und nun bin ich dankbar, daß ich dich hatte. Ich hätte ja auch allein und unglücklich sein können. Dann wäre ich gern gestorben. Jetzt ist es schwer; aber dafür bin ich auch ganz voll Liebe, wie eine Biene voll Honig, wenn sie abends in den Stock zurückkommt. Wenn ich wählen sollte – ich würde zwischen beiden immer wieder dasselbe wählen.«
     Sie sah mich an. »Pat«, sagte ich, »es gibt noch ein Drittes – wenn der Föhn aufhört, dann wird es dir besser gehen, und wir werden hier fortfahren.«
     Sie blickte mich weiter prüfend an. »Um dich habe ich Angst, Robby. Für dich ist es viel schwerer als für mich.«
     »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen«, sagte ich.
     »Ich habe es nur gesagt, damit du nicht denkst, ich sei traurig«, erwiderte sie.
     »Ich glaube auch nicht, daß du traurig bist.«
     Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Willst du nicht dir Zigeuner wieder spielen lassen?«
     »Willst du sie hören?«
     »Ja, Liebling.«
     Ich stellte den Apparat wieder an, und leise, dann immer voller klang die Geige mit den Flöten und den gedämpften Arpeggien der Cimbals durch das Zimmer.
     »Schön«, sagte Pat. »Wie ein Wind. Ein Wind, der einen wegträgt.«
     Es war ein Abendkonzert aus einem Gartenrestaurant in Budapest. Das Gespräch der Gäste war manchmal durch das Raunen der Musik zu vernehmen, und ab und zu hörte man einen hellen, fröhlichen Ruf. Man konnte denken, daß jetzt auf der Margaretheninsel die Kastanien schon das erste Laub hatten und daß es blaß im Monde schimmerte und sich bewegte, als würde es durch den Geigenwind angeweht. Vielleicht war es auch schon ein warmer

Weitere Kostenlose Bücher