Drei Kameraden
Sie haben nur eine ziemlich harte Leber. Wahrscheinlich trinken Sie zuviel.«
Er verschrieb mir etwas, und ich ging zurück.
»Robby«, fragte Pat aus ihrem Zimmer, »was hat er gesagt?«
»Ich darf nicht zu dir, einstweilen«, erwiderte ich unter der Tür. »Strenges Verbot. Ansteckungsgefahr.«
»Siehst du«, sagte sie erschrocken, »ich habe es immer schon nicht mehr gewollt.«
»Ansteckungsgefahr für dich, Pat. Nicht für mich.«
»Laß den Unsinn«, sagte sie. »Erzähle mir genau, was los ist.«
»Es ist genau so. Schwester« – ich winkte der Stationsschwester, die mir gerade die Medikamente brachte –, »sagen Sie Fräulein Hollmann, wer der Gefährlichere von uns beiden ist.«
»Herr Lohkamp«, erklärte die Schwester. »Er darf nicht 'raus, damit er Sie nicht ansteckt.«
Pat sah ungläubig von der Schwester zu mir. Ich zeigte ihr die Medikamente durch die Tür. Sie begriff, daß es stimmte, und begann zu lachen, immer mehr, sie lachte, bis ihr die Tränen kamen und sie schmerzhaft zu husten anfing, so daß die Schwester hinlaufen und sie stützen mußte. »Mein Gott, Liebling«, flüsterte sie, »das ist zu komisch. Und wie stolz du aussiehst!« Sie war den ganzen Abend fröhlich. Ich ließ sie natürlich nicht allein, sondern saß in einem dicken Mantel, einen Schal um den Hals, bis Mitternacht auf dem Balkon, eine Zigarre in der einen und ein Glas in der andern Hand, eine Kognakflasche zu meinen Füßen, und erzählte ihr Geschichten aus meinem Leben, immer wieder von ihrem leisen Vogelgelächter unterbrochen und angetrieben, ich log, was ich konnte, um das Lachen, über ihr Gesicht gleiten zu sehen, ich war glücklich über meinen bellenden Husten und trank die Flasche leer und war am nächsten Morgen gesund.
Der Föhn kam wieder. Der Wind rüttelte an den Fenstern, die Wolken hingen tief, der Schnee schob sich zusammen und polterte durch die Nächte, und die Kranken lagen gereizt und aufgepeitscht wach und horchten hinaus. An den geschützten Hängen fingen die Krokusse an zu blühen, und auf der Straße erschienen zwischen den Schlitten die ersten Wagen mit hohen Rädern.
Pat wurde immer schwächer. Sie konnte nicht mehr aufstehen. In den Nächten hatte sie oft Erstickungsanfälle. Dann wurde sie grau vor Todesangst. Ich hielt ihre nassen, kraftlosen Hände. »Nur diese Stunde überstehen!« keuchte sie, »nur diese Stunde, Robby. Da sterben sie...«
Sie hatte Angst vor der letzten Stunde zwischen Nacht und Morgen. Sie glaubte, daß mit dem Ende der Nacht der geheime Strom des Lebens schwächer würde und fast erlosch – und nur vor dieser Stunde hatte sie Furcht und wollte nicht allein sein. Sonst war sie so tapfer, daß ich oft die Zähne zusammenbeißen mußte.
Ich ließ mein Bett in ihr Zimmer stellen und setzte mich zu ihr, wenn sie erwachte und wenn in ihre Augen das verzweifelte Flehen kam. Ich dachte oft an die Morphiumampullen in meinem Koffer, und ich hätte es ohne Nachdenken getan, wenn sie nicht so dankbar für jeden neuen Tag gewesen wäre.
Ich saß bei ihr am Bett und erzählte ihr, was mir gerade einfiel. Sie durfte nicht viel sprechen, und sie hörte gern zu, wenn ich ihr erzählte, was mir alles schon so passiert war. Am liebsten hörte sie Geschichten aus meiner Schulzeit, und manchmal, wenn sie kurz vorher noch einen Anfall gehabt hatte und blaß und zerschlagen in den Kissen saß, verlangte sie schon wieder, daß ich ihr irgendeine Type von meinen Lehrern vormachte. Fuchtelnd und schnaufend, einen imaginären roten Vollbart streichend, wanderte ich dann durchs Zimmer und gab mit knarrender Stimme Kathederblüten von mir. Ich erfand täglich neue hinzu, und Pat wußte allmählich unter den Raufbolden und Lümmeln unserer Klasse, die den Lehrern immer neuen Ärger bereitet hatten, sehr gut Bescheid. Einmal kam die Nachtschwester dazu, angelockt durch den polternden Baß unseres Rektors, und es dauerte eine ganze Weile, ehe ich ihr zum Vergnügen Pats klargemacht hatte, daß ich nicht verrückt geworden sei, weil ich mitten in der Nacht in einer Pelerine und einem Schlapphut im Zimmer herumhopste und einem gewissen Karl Ossege furchtbar die Leviten las, der heimtückisch das Katheder angesägt hatte.
Langsam sickerte dann das Tageslicht durch das Fenster. Die Bergrücken wurden messerscharfe, schwarze Silhouetten. Der Himmel hinter ihnen fing an, kalt und blaß zurückzuweichen. Die Nachttischlampe verrostete zu bleichem Gelb, und Pat
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