Drei Kameraden
schon ganz anders sein. Nie würde ich ihn begreifen, nie.
Ich gab ihr die Sachen. Sie legte mir den Arm um den Nacken und küßte mich. Dann brachte ich sie nach Hause. Wir sprachen nicht mehr viel. Wir gingen nebeneinander her in der silbrigen Frühe. Die Milchwagen ratterten über das Pflaster, und die Zeitungen wurden ausgetragen. Ein alter Mann saß vor einem Hause und schlief. Sein Kinn zitterte, als sei es nicht mehr fest. Radfahrer mit Brötchenkörben fuhren vorüber. Das warme frische Brot roch über die Straße. Hoch über uns zog ein Flieger durch den blauen Himmel.
»Heute?« fragte ich Pat vor der Haustür.
Sie lächelte. »Um sieben?« fragte ich.
Sie sah gar nicht müde aus. Sie war frisch, als hätte sie lange geschlafen. Sie küßte mich zum Abschied. Ich blieb vor dem Hause stehen, bis ich sah, daß in ihrem Zimmer das
Licht anging.
Dann ging ich zurück. Unterwegs fiel mir vieles ein, was ich ihr hätte sagen sollen, viele schöne Worte. Ich wanderte durch die Straßen und dachte daran, was ich alles hätte sagen und tun können, wenn ich nicht so gewesen wäre, wie ich war. Dann ging ich zu den Markthallen. Die Wagen mit Gemüse, Fleisch und Blumen waren schon da. Ich wußte, daß man hier für den gleichen Preis dreimal soviel Blumen bekam wie in den Läden. Ich kaufte für alles Geld, das ich noch bei mir hatte, Tulpen. Sie sahen herrlich aus, ganz frisch, mit Wassertropfen in den Kelchen. Ich bekam einen großen Arm voll. Die Verkäuferin versprach mir, sie um elf Uhr zu Pat zu schicken. Sie lachte mich an, als sie es versprach, und legte noch einen dicken Busch Veilchen dazu.
»Mindestens vierzehn Tage wird die Dame ihre Freude daran haben«, sagte sie. »Nur ab und zu eine Pyramiden ins Wasser tun.«
Ich nickte und gab ihr das Geld. Dann ging ich langsam nach Hause.
10 Der Ford stand fertig in der Werkstatt. Neue Arbeit
war nicht hereingekommen. Wir mußten etwas unternehmen. Köster und ich gingen auf eine Auktion. Wir wollten ein Taxi kaufen, das dort versteigert wurde. Taxis waren immer ziemlich gut weiterzuverkaufen.
Das Versteigerungslokal war in einem Hinterhaus im Norden der Stadt. Außer dem Taxi wurde noch ein Haufen anderer Dinge verauktioniert. Ein Teil der Sachen stand auf dem Hof. Betten, wackelige Tische, ein vergoldeter Käfig mit einem Papagei, der »Grüß Gott, Liebling!« rief, eine Standuhr, Bücher, Schränke, ein alter Frack, Küchenstühle, Geschirr – das ganze Elend zerbröckelnden, untergehenden Daseins.
Es war noch zu früh, als wir ankamen; der Auktionator war noch nicht da.
Ich kramte zwischen den ausgestellten Sachen umher und sah mir ein paar von den Büchern an – zerlesene billige Exemplare griechischer und lateinischer Klassiker mit vielen handschriftlichen Notizen am Rande. Auf den verschossenen, zerblätterten Seiten standen nicht mehr die Verse von Horaz und die Lieder Anakreons – auf ihnen stand nur noch der Schrei der Not und der Hilflosigkeit eines verlorenen Lebens. Wer diese Bücher besessen hatte, dem waren sie Zuflucht gewesen, und er hatte sie behalten bis zuletzt, und wer sie hergegeben hatte, hierher, der war am Ende.
Köster blickte mir über die Schulter. »Traurig, so was, wie?« Ich nickte und zeigte auf die anderen Sachen. »Das auch, Otto. Zum Spaß werden Küchenstühle und Kleiderschränke nicht hierhergebracht.«
Wir gingen zu dem Wagen, der in der Ecke des Hofes stand. Die Lackierung war abgewetzt und verbraucht, aber der Wagen war sauber, auch unter den Kotflügeln. Ein untersetzter Mann mit herabhängenden, breiten Händen stand in der Nähe und schaute uns stumpf an.
»Hast du die Maschine untersucht?« fragte ich Köster.
»Gestern«, sagte er. »Ziemlich ausgeleiert, aber tadellos gepflegt.«
Ich nickte. »Sieht auch so aus. Der Wagen ist heute morgen noch gewaschen worden, Otto. Das hat der Auktionsfritze sicher nicht getan.«
Köster schüttelte den Kopf und sah zu dem untersetzten Mann hinüber. »Es wird der Besitzer sein. Er stand gestern auch hier und putzte den Wagen.«
»Verdammt«, sagte ich, »der Mann sieht aus wie ein überfahrener Hund.«
Ein junger Mann kam quer über den Hof auf den Wagen zu. Er trug einen Mantel mit einem Gürtel und war unangenehm forsch. »Das ist ja wohl der Schlitten«, sagte er halb zu uns, halb zu dem Mann, und klopfte mit seinem Spazierstock auf die Kühlerhaube. Ich sah, wie es in den Augen des Mannes zuckte. »Macht nichts, macht
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