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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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nachgebenden Blätter, sie drängten sich an sie und rannen an ihnen herunter, ein mystisches Fest und ein geheimnisvolles Fließen zu den Wurzeln, von denen sie wieder aufsteigen würden, um selbst Blätter zu werden, die den Regen wieder erwarteten in den Nächten des Frühjahrs.
     Es war still geworden. Der Lärm der Straße war verstummt – eine einsame Laterne flackerte auf dem Bürgersteig. Die zarten Blätter der Bäume, von unten beschienen, sahen fast weiß aus, durchsichtig beinahe. Die Wipfel waren schimmernde, helle Segel.
     »Horch, der Regen, Pat...«
     »Ja...«
     Sie lag neben mir. Ihr Haar hob sich dunkel von den
    weißen Kissen ab. Das Gesicht erschien sehr bleich unter dem Düster des Haares. Eine Schulter war hochgeschoben, sie glänzte von irgendeinem Licht wie matte Bronze, und ein schmaler Streifen Licht fiel auch auf ihren Arm. »Sieh nur«, sagte sie und hob auch die Hände hinein.
     »Ich glaube, es kommt von der Laterne draußen«, sagte ich.
     Sie richtete sich auf. Jetzt war auch ihr Gesicht im Licht, das lief über die Schultern und die Brust, gelb, wie der Schein von Wachskerzen, es veränderte sich, floß zusammen, wurde zu Orange, blaue Kreise flirrten hindurch, und dann stand plötzlich ein warmes Rot hinter ihr wie eine Gloriole, glitt höher und wanderte langsam über die Decke des Zimmers.
     »Es ist die Zigarettenreklame von drüben.«
     »Siehst du, wie schön dein Zimmer ist.«
    »Es ist schön, weil du da bist. Es wird jetzt auch nie mehr
    das Zimmer von früher sein – weil du hiergewesen bist.«
    Sie kniete im Bett, ganz von fahlem Blau umweht.
    »Aber...« sagte sie, »ich werde doch noch oft hier sein – oft.«
    Ich lag still da und sah sie an. Ich sah alles wie durch einen
    weichen, klaren Schlaf, entspannt, gelöst, ruhig und sehr glücklich. »Wie schön du so bist, Pat! Viel schöner als in allen Kleidern.«
     Sie lächelte und beugte sich zu mir herunter. »Du mußt mich sehr lieben, Robby. Ich weiß nicht, was ich machen soll ohne Liebe!«
     Ihre Augen hielten mich fest. Ihr Gesicht war dicht über mir. Es war bewegt, ganz aufgeschlossen, voll leidenschaftlicher Kraft. »Du mußt mich festhalten«, flüsterte sie, »ich brauche jemand, der mich festhält. Ich falle sonst. Ich habe Angst.«
     »Du siehst nicht so aus, als ob du Angst hättest«, erwiderte ich.
     »Doch. Ich tue nur so. Ich habe oft Angst.«

 »Ich werde dich schon festhalten«, sagte ich, immer noch
    in diesem unwirklichen Traumwachen, diesem verschwebenden hellen Schlaf.
     »Ich werde dich schon richtig festhalten, Pat. Du wirst dich wundern.« Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände. »Wirklich?«
     Ich nickte. Ihre Schultern leuchteten grün wie in tiefem Wasser. Ich ergriff ihre Hände und zog sie zu mir herab – eine Welle, eine leuchtende, atmende, weiche Woge, die anstieg und alles verlöschte.

     Sie schlief in meinem Arm. Ich erwachte oft und sah sie an. Ich dachte, die Nacht könne nie zu Ende gehen. Wir trieben irgendwo, jenseits der Zeit. Es war alles so schnell gekommen, ich begriff es noch gar nicht. Ich begriff noch gar nicht, daß mich ein Mensch lieben konnte. Ich verstand wohl, daß ich für einen Mann ein ganz guter Kamerad sein konnte; aber ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb eine Frau mich lieben sollte. Ich dachte, daß es wohl nur diese Nacht sein würde, und glaubte, beim Erwachen würde es vorbei sein.
    Die Dunkelheit wurde grau. Ich lag ganz still. Mein Arm unter Pats Kopf war eingeschlafen, ich konnte nichts mehr fühlen. Aber ich rührte mich nicht. Erst als sie sich im Schlaf umdrehte und sich gegen das Kissen drückte, konnte ich ihn wegnehmen. Ich stand ganz leise auf und putzte mir geräuschlos die Zähne und rasierte mich. Ich nahm auch etwas Kölnisch Wasser und rieb es mir auf das Haar und in den Nacken. Es war sonderbar, so lautlos in dem grauen Zimmer, mit den Gedanken, und draußen den dunklen Umrissen der Bäume. Als ich mich umdrehte, sah ich, daß Pat die Augen offen hatte und mich betrachtete. Ich hielt inne. »Komm«, sagte sie.
     Ich ging zu ihr und setzte mich auf das Bett. »Ist alles noch wahr?« sagte ich.
     »Weshalb fragst du?«
     »Ich weiß nicht. Weil es Morgen ist, vielleicht?«
     Es wurde heller. »Du mußt mir jetzt meine Sachen geben«, sagte sie. Ich nahm die dünne Seidenwäsche vom Boden auf. Sie war leicht und so wenig. Ich hielt sie in der Hand. Schon das war ganz anders, dachte ich. Wer so etwas trug, mußte

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