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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Verlieren war. Nie war es aufzuhalten, nie! Nie war sie zu lösen, die klirrende Kette der Zeit, nie wurde aus Rastlosigkeit Rast, aus Suchen Stille, aus Fallen Halt. Nicht einmal vom Zufall konnte ich sie lösen, von dem, was vorher war, ehe ich sie kannte, von tausend Gedanken, Erinnerungen, von dem, was sie geformt hatte, bevor ich da war, nicht einmal von diesen Leuten hier konnte ich sie lösen –
     Neben mir sprach die Frau mit ihrer brüchigen Stimme. Sie suchte einen Gefährten für eine Nacht, ein Stück fremdes Leben, um sich aufzupeitschen, um zu vergessen, sich und die allzu schmerzhafte Klarheit, daß nie etwas bleibt, kein Ich und kein Du und am wenigsten ein Wir. Suchte sie im Grunde nicht dasselbe wie ich? Einen Gefährten, um die Einsamkeit des Lebens zu vergessen, einen Kameraden, um die Sinnlosigkeit des Daseins zu bestechen?
     »Kommen Sie«, sagte ich, »wir wollen zurückgehen. Es ist hoffnungslos – das was Sie wollen – und auch das, was ich will.«
     Sie sah mich einen Augenblick an. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte.

     Wir gingen noch in ein paar andere Lokale. Breuer war erhitzt, redselig und hoffnungsvoll. Pat war stiller geworden. Sie fragte mich nicht, sie machte mir keine Vorwürfe, sie versuchte nichts aufzuklären, sie war einfach da, manchmal tanzte sie, dann schien es, als glitte sie durch einen Schwarm von Marionetten und Karikaturen wie ein stilles, schönes, schmales Schiff, und manchmal lächelte sie mir zu.
     Die Dösigkeit der Nachtlokale wischte mit graugelben Händen über die Wände und die Gesichter. Die Musik schien unter einem gläsernen Katafalk zu spielen. Der Kahlkopf trank Kaffee. Die Frau mit den Eidechsenhänden sah starr vor sich hin. Breuer kaufte von einem übermüdeten Blumenmädchen Rosen und verteilte sie an Pat und die beiden Frauen. Auf den halboffenen Knospen standen kleine, klare Wasserperlen. »Wir wollen einmal miteinander tanzen«, sagte Pat zu mir.
     »Nein«, sagte ich und dachte an die Hände, die sie heute schon berührt hatten, »nein«, und fühlte mich ziemlich lächerlich und elend.
    »Doch«, sagte sie, und ihre Augen wurden dunkel.
    »Nein«, erwiderte ich, »nein, Pat.«
     Dann gingen wir endlich. »Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Breuer zu mir.
     »Gut.«
     Er hatte eine Decke im Wagen, die er Pat über die Knie legte. Sie sah auf einmal sehr blaß und müde aus. Die Frau von der Bar schob mir beim Abschied einen Zettel in die Hand. Ich tat, als sei nichts gewesen, und stieg ein. Unterwegs sah ich aus dem Fenster. Pat saß in der Ecke und regte sich nicht. Ich hörte sie nicht einmal atmen. Breuer fuhr zuerst zu ihr. Er wußte ihre Wohnung, ohne zu fragen. Sie stieg aus. Breuer küßte ihr die Hand. »Gute Nacht«, sagte ich und sah sie nicht an.
     »Wo kann ich Sie absetzen?« fragte Breuer mich.
     »An der nächsten Ecke«, sagte ich.
     »Ich fahre Sie gern nach Hause«, erwiderte er etwas zu rasch und zu höflich.
     Er wollte verhindern, daß ich zurückging. Ich überlegte, ob ich ihm eine herunterhauen sollte. Aber er war mir zu gleichgültig. »Schön, dann fahren Sie mich zur Bar Freddy«, sagte ich.
     »Kommen Sie da denn um die Zeit noch 'rein?« fragte er.
     »Nett, daß Sie so besorgt sind«, sagte ich, »aber seien Sie
    versichert, ich komme überall noch 'rein.«
     Als ich es gesagt hatte, tat er mir leid. Er war sich sicher sehr großartig und gerissen vorgekommen den ganzen Abend. Man sollte so was nicht zerstören.
     Ich verabschiedete mich freundlicher von ihm als von Pat.

     In der Bar war es noch ziemlich voll. Lenz und Ferdinand Grau pokerten mit dem Konfektionär Bollwies und ein paar anderen. »Setz dich 'ran«, sagte Gottfried, »heute ist Pokerwetter.«
     »Nein«, erwiderte ich.
     »Sieh dir das an«, sagte er und zeigte auf einen Packen Geld. »Ohne Bluff. Die flushs liegen in der Luft.«
     »Schön«, sagte ich, »gib her.«
     Ich bluffte mit zwei Königen vier Mann zum Fenster 'raus.
     »So was!« sagte ich. »Scheint auch Bluffwetter zu sein.«
     »Das immer«, erwiderte Ferdinand und schob mir eine Zigarette 'rüber.
     Ich hatte nicht lange bleiben wollen. Doch jetzt spürte ich etwas Boden unter den Füßen. Es ging mir nicht besonders; aber hier war die alte, ehrliche Heimat. »Stell mir eine halbe Flasche Rum her«, rief ich Fred zu.
     »Tu mal Portwein 'rein«, sagte Lenz.
     »Nein«, erwiderte ich. »Hab' keine Zeit für Experimente. Will mich

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