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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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sein.
     Es war lange her, daß ich in einem Theater gewesen war. Ich wäre auch nicht hingegangen, wenn Pat es nicht gewollt hätte. Theater, Konzerte, Bücher – alle diese bürgerlichen Gewohnheiten hatte ich fast verloren. Es war nicht die Zeit danach. Die Politik machte genug Theater – die Schießereien jeden Abend gaben ein anderes Konzert –, und das riesenhafte Buch der Not war eindringlicher als alle Bibliotheken.
     Die Ränge und das Parkett waren ganz besetzt. Es wurde sofort dunkel, als wir unsere Plätze gefunden hatten. Nur der Widerschein der Rampenlichter wehte durch den Raum. Voll begann die Musik und hob alles auf, daß es schwebte.
     Ich schob meinen Stuhl in die Ecke der Loge zurück. So brauchte ich weder die Bühne noch die bleichen Köpfe der Zuschauer zu sehen. Ich hörte nur die Musik und sah Pats Gesicht.
     Die Musik verzauberte den Raum. Sie war wie Südwind, wie eine warme Nacht, wie ein gebauschtes Segel unter Sternen, ganz und gar unwirklich, diese Musik zu »Hoffmanns Erzählungen«. Sie machte alles weit und farbig, der dunkle Strom des Lebens schien in ihr zu rauschen, es gab keine Schwere mehr, keine Grenzen, es gab nur noch Glanz und Melodie und Liebe, und man konnte einfach nicht begreifen, daß draußen Not und Qual und Verzweiflung herrschten, zur gleichen Zeit, wo es diese Musik gab.
     Pats Gesicht war geheimnisvoll vom Licht der Bühne beschienen. Sie war ganz hingegeben, und ich liebte sie, weil sie sich nicht an mich lehnte und nicht nach meiner Hand griff, ja, mich nicht einmal ansah, sondern gar nicht an mich zu denken und mich ganz vergessen zu haben schien. Ich haßte es, wenn man die Dinge vermischte, ich haßte dieses kuhhafte Zueinanderstreben, wenn die Schönheit und die Gewalt eines großen Werkes über einen hereinbrach, ich haßte die schwimmenden Blicke der Liebespaare, dieses stumpfselige Sichanschmiegen, dieses unanständige Schafsglück, das nie über sich hinaus ergriffen werden konnte, ich haßte dieses ganze Gerede vom Einswerden in der Liebe, denn ich fand, man konnte gar nicht genug zwei sein und sich gar nicht oft genug voneinander entfernen, um sich wieder zu begegnen. Nur wer immer wieder allein war, kannte das Glück des Beieinanderseins. Alles andere zerstörte das Geheimnis der Spannung. Und was riß stärker in die magischen Bezirke der Einsamkeit als der Aufruhr des Gefühls, die Hingabe an eine Erschütterung, die Gewalt der Elemente, der Sturm, die Nacht, die Musik? Und die Liebe –

    Das Licht flammte auf. Ich schloß einen Augenblick die Augen. Woran hatte ich da nur gedacht? Pat wandte sich um. Ich sah, daß die Leute zu den Türen drängten. Es war
    große Pause.
    »Willst du nicht hinausgehen?« fragte ich.
    Pat schüttelte den Kopf.
     »Gott sei Dank! Ich hasse es, sich da draußen gegenseitig zu beglotzen.«
     Ich machte mich auf, um ihr ein Glas Orangensaft zu holen. Das Büfett war stark belagert. Musik macht viele Leute merkwürdig hungrig. Die warmen Würstchen verschwanden, als wäre der Hungertyphus ausgebrochen.
     Als ich mit meinem Glas in der Loge ankam, stand jemand
    hinter Pats Stuhl. Sie hatte den Kopf zurückgewendet und sprach lebhaft mit ihm. »Das ist Herr Breuer, Robert«, sagte sie. Herr Ochse, dachte ich, und sah ihn mißvergnügt an. Robert hatte sie gesagt, nicht Robby. Ich stellte das Glas auf die Brüstung und wartete darauf, daß der Mann ging. Er hatte einen fabelhaft geschnittenen Smoking an. Aber er schwätzte von der Regie und der Besetzung und blieb. Pat wandte sich mir zu. »Herr Breuer hat gefragt, ob wir nachher nicht in die Kaskade gehen wollen.«
     »Wenn du gern möchtest«, sagte ich.
     Herr Breuer erklärte, man könne vielleicht etwas tanzen. Er war sehr höflich und gefiel mir eigentlich ganz gut. Er hatte nur diese unangenehme Eleganz und Leichtigkeit, von der ich glaubte, daß sie auf Pat wirken müsse, und die ich selbst nicht besaß. Plötzlich – ich traute meinen Ohren nicht – hörte ich, daß er Pat mit du ansprach. Obschon es hundert belanglose Gründe dafür gab, hätte ich den Mann am liebsten in den Orchesterraum geworfen.
     Es klingelte. Die Musiker stimmten die Instrumente. Die Geigen huschten Flageolettläufe. »Also abgemacht, wir treffen uns am Ausgang«, sagte Breuer und ging endlich.
     »Was ist das für ein Strolch?« fragte ich. »Das ist kein Strolch, das ist ein netter Mensch. Ein alter Bekannter.«
     »Gegen alte Bekannte habe ich was«, sagte

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