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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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einer anderen Welt. Wäre ich allein dagewesen, oder mit Lenz oder Köster, ich hätte mich gar nicht darum gekümmert und es wäre mir egal gewesen. Aber Pat war dabei, Pat kannte sie, und dadurch wurde alles schief, es legte mich lahm und zwang mich zu vergleichen.
     Breuer schlug vor, in ein anderes Lokal zu gehen. »Robby«, sagte Pat im Hinausgehen, »wollen wir nicht lieber nach Hause gehen?«
     »Nein«, sagte ich, »wozu?«
     »Es ist doch langweilig für dich.«
     »Nicht die Spur. Warum sollte es langweilig sein? Im Gegenteil! Und dir macht es doch Spaß.«
     Sie sah mich an, sagte aber nichts.
     Ich fing an zu trinken. Nicht, wie vorher, sondern richtig. Der Mann mit dem kahlen Kopf wurde aufmerksam. Er fragte, was ich denn tränke. »Rum«, sagte ich. »Grog?« fragte er. »Nein, Rum«, sagte ich. Er probierte es auch und verschluckte sich. »Donnerwetter«, sagte er anerkennend, »das muß man gewohnt sein.« Auch die beiden Frauen wurden jetzt aufmerksam. Pat und Breuer tanzten. Pat sah oft herüber. Ich sah nicht mehr hin. Ich wußte, daß es unrecht war, aber es war plötzlich über mich gekommen. Es ärgerte mich auch, daß die andern auf mein Trinken aufmerksam wurden. Ich hatte keine Lust, ihnen damit zu imponieren wie ein Gymnasiast. Ich stand auf und ging an die Bar. Pat erschien mir ganz fremd. Sollte sie zum Teufel gehen mit ihren Leuten! Sie gehörte dazu. Nein, sie gehörte nicht dazu. Doch!
     Der Kahlkopf kam mir nach. Wir tranken mit dem Mixer einen Wodka. Mixer sind immer ein Trost. Man versteht sich in der ganzen Welt mit ihnen, ohne reden zu müssen. Auch dieser war gut. Nur der Kahlkopf war schwach. Er wollte sich aussprechen. Eine gewisse Fifi lag ihm auf der Seele. Aber das gab sich bald. Er erzählte mir, Breuer sei in Pat seit Jahren verliebt. »So?« sagte ich. Er kicherte. Ich brachte ihn mit einer Prärie Oyster zum Schweigen. Aber mir blieb im Schädel, was er gesagt hatte. Ich ärgerte mich, daß es mir etwas machte. Und ich ärgerte mich, daß ich nicht mit der Faust auf den Tisch schlug. Aber irgendwo spürte ich eine kalte Lust zum Zerstören in mir, die sich nicht gegen andere wendete. Nur gegen mich.
     Der Kahlkopf lallte bald und verschwand. Ich blieb sitzen. Plötzlich spürte ich eine harte, feste Brust an meinem Arm. Es war eine der Frauen, die Breuer herangebracht hatte. Sie setzte sich dicht neben mich. Ihre schrägen, graugrünen Augen streiften mich langsam. Es war ein Blick, nach dem eigentlich nichts mehr zu sagen war – nur etwas zu tun. »Wunderbar, so trinken zu können«, sagte sie nach einer Weile. Ich schwieg. Sie streckte eine Hand nach meinem Glase aus. Die Hand war wie eine Eidechse, glitzernd von Schmuck, trocken und sehnig. Sie bewegte sich sehr langsam, als kröche sie. Ich wußte, was los war. Mit dir werde ich rasch fertig, dachte ich. Du unterschätzt mich, weil du siehst, daß ich ärgerlich bin. Aber du irrst dich. Mit Frauen werde ich schon fertig – es ist die Liebe, mit der ich nicht fertig werde. Es ist das Unerfüllbare, das mich traurig macht.
     Die Frau begann zu sprechen. Sie hatte eine brüchige, etwas gläserne Stimme. Ich merkte, wie Pat herübersah. Ich kümmerte mich nicht darum. Aber ich kümmerte mich auch nicht um die Frau neben mir. Ich hatte das Gefühl, durch einen glatten, bodenlosen Schacht zu gleiten. Es hatte nichts mit Breuer und den Leuten zu tun. Es hatte nicht einmal etwas mit Pat zu tun. Es war das finstere Geheimnis, daß die Wirklichkeit die Wünsche weckt, aber sie nie befriedigen kann; daß die Liebe in einem Menschen beginnt, aber nie in ihm endet; und daß alles dasein kann: ein Mensch, die Liebe, das Glück, das Leben – und daß es auf eine furchtbare Weise immer zuwenig ist und immer weniger wird, je mehr es scheint. Ich blickte verstohlen zu Pat hinüber. Da ging sie in ihrem silbernen Kleid, jung und schön, eine helle Flamme Leben, ich liebte sie, und wenn ich zu ihr sagte: Komm, so kam sie, nichts stand zwischen uns, wir konnten uns so nahe sein, wie es Menschen nur können – aber dennoch war alles manchmal auf eine rätselhafte Weise verschattet und qualvoll, ich konnte sie nicht lösen aus dem Ring der Dinge, nicht herausreißen aus dem Kreise des Daseins, der über uns und in uns war und uns seine Gesetze aufzwang, den Atem und das Vergehen, den fragwürdigen Glanz der immerfort ins Nichts abstürzenden Gegenwart, die schimmernde Illusion des Gefühls, das im Besitzen schon wieder

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