Drei Kameraden
rasch mal hin, diese Russen haben immer Tee, ich bin sofort zurück –«, ich spürte, wie es heiß in mir hochstieg – »ich vergesse dir das im Leben nicht«, sagte ich von der Tür her und ging rasch den Korridor hinunter.
Orlow war noch auf. Er saß vor seinem Muttergottesbild in der Ecke des Zimmers, vor dem ein Lämpchen brannte, seine Augen waren rot, und auf dem Tisch dampfte ein kleiner Samowar.
»Bitte, entschuldigen Sie«, sagte ich, »ein unvorhergesehener Zufall – können Sie mir etwas heißen Tee geben?«
Russen sind an Zufälle gewöhnt. Er gab mir zwei Gläser, Zucker und füllte einen Teller mit kleinen Kuchen. »Ich bin Ihnen sehr gern behilflich«, sagte er, »darf ich Ihnen auch – ich war oft in ähnlicher – ein paar Kaffeebohnen – zum Kauen...«
»Danke«, sagte ich, »wirklich, ich danke Ihnen. Ich nehme sie gern...«
»Wenn Sie noch etwas brauchen«, sagte er und war in diesem Augenblick von einer wunderschönen Haltung, »ich bleibe noch eine Zeitlang auf; es wird mir eine Freude sein...«
Ich zermalmte die Kaffeebohnen auf dem Korridor im Munde. Sie nahmen den Schnapsgeruch weg. Pat saß neben der Lampe und puderte sich. Ich blieb einen Augenblick an der Tür stehen. Es rührte mich sehr, daß sie so dasaß und aufmerksam in ihren kleinen Spiegel sah und mit der Puderquaste über die Schläfen wischte.
»Trink ein bißchen Tee«, sagte ich, »er ist ganz heiß.«
Sie nahm die Tasse. Ich sah zu, wie sie trank. »Weiß der Teufel, was heute abend los war, Pat.«
»Ich weiß es schon«, erwiderte sie.
»So? Ich nicht.«
»Ist auch nicht nötig, Robby. Du weißt sowieso schon ein bißchen zuviel, um richtig glücklich zu sein.«
»Mag sein«, sagte ich. »Aber es geht doch nicht, daß ich immer kindischer werde, seit ich dich kenne.«
»Doch! Besser, als wenn du immer vernünftiger würdest.«
»Auch eine Begründung«, sagte ich. »Du hast eine gute Art, einem aus der Klemme zu helfen. Aber ich glaube, es kam da so allerhand zusammen.«
Sie stellte die Tasse auf den Tisch. Ich lehnte am Bett. Ich hatte ein Gefühl, als wenn ich von einer langen, schwierigen Reise nach Hause gekommen wäre.
Die Vögel begannen zu zwitschern. Draußen klappte eine Tür. Das war Frau Bender, die Säuglingsschwester. Ich sah auf die Uhr. In einer halben Stunde war Frida in der Küche, dann konnten wir nicht mehr ungesehen hinaus. Pat schlief noch. Sie atmete tief und regelmäßig. Es war eine Schande, sie zu wecken. Aber es mußte sein. »Pat...«
Sie murmelte etwas im Schlaf. »Pat –«, ich verfluchte alle möblierten Zimmer der Welt – »Pat, es wird Zeit. Wir müssen dich anziehen.«
Sie schlug die Augen auf und lächelte, noch ganz warm vom Schlaf, wie ein Kind. Ich war immer wieder überrascht über diese Heiterkeit beim Erwachen und liebte das sehr an ihr. Ich war nie heiter, wenn ich erwachte. »Pat – Frau Zalewski bürstet bereits ihr Gebiß.«
»Ich bleibe heute bei dir...«
»Hier?«
»Ja...«
Ich richtete mich auf. »Glänzende Idee – aber deine Sachen
– das sind doch Schuhe und Kleider für abends...«
»Dann bleibe ich eben bis abends...«
»Und zu Hause?«
»Da telefonieren wir, daß ich irgendwo über Nacht geblieben bin.«
»Das werden wir schon machen. Hast du Hunger?«
»Noch nicht.«
»Auf alle Fälle werde ich mal rasch ein paar frische Brötchen klauen. Die hängen draußen an der Korridortür. Jetzt ist's grade noch Zeit dafür.«
Als ich zurückkam, stand Pat am Fenster. Sie trug nur ihre silbernen Schuhe. Das weiche Licht des frühen Tages fiel wie ein Schleier über ihre Schultern. »Das von gestern haben wir vergessen, was, Pat?« sagte ich.
Sie nickte, ohne sich umzudrehen.
»Wir werden einfach nicht mehr mit anderen Leuten zusammen sein. Richtige Liebe verträgt keine Leute. Dann kriegen wir auch keinen Krach und keine Eifersuchtsanfälle. Dieser Breuer und die ganze andere Gesellschaft soll zum Teufel gehen, was?«
»Ja«, sagte sie, »und die Markowitz auch.«
»Markowitz? Wer ist denn das?«
»Die, mit der du an der Bar gesessen hast in der Kaskade.«
»Aha«, sagte ich, plötzlich ziemlich vergnügt, »aha, die.«
Ich kramte meine Taschen aus. »Sieh dir das an. Etwas hat die Geschichte wenigstens genützt. Ich habe einen Haufen Geld im Poker gewonnen. Dafür gehen wir heute abend noch einmal aus, was? Aber richtig, ohne andere Leute. Die sind für uns vergessen,
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