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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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einem milchigen Meer, es gab keine Straße mehr, nur Zufall und Ungefähr, Schatten, die wuchsen und schwanden im Gebrüll des Motors.
    Als sie nach zehn Minuten herauskamen, war Kösters Gesicht verfallen. Er sah Jaffé an und murmelte etwas. Dann ging er mit vollem Gas weiter, geduckt, kalt und wieder beherrscht...
     Wie Blei brütete die klebrige Wärme in der Stube. »Hört es noch nicht auf?« fragte ich.
     »Nein«, sagte der Arzt.
     Pat sah mich an. Ich lächelte ihr zu. Es wurde eine Grimasse. »Noch eine halbe Stunde«, sagte ich.
     Der Arzt blickte auf. »Noch anderthalb Stunden, wenn nicht zwei. Es regnet.«
     Die Tropfen rauschten leise singend in die Blätter und Büsche des Gartens. Ich sah mit geblendeten Augen hinaus. Wie lange war das her, daß wir nachts aufgestanden waren und uns zwischen Levkojen und Goldlackbüsche gekauert hatten und Pat kleine Kinderlieder gesummt hatte. Wie lange war es her, daß der Weg weiß im Mond leuchtete und Pat wie ein schmales Tier zwischen den Büschen entlanglief...
     Ich ging zum hundertsten Male vor die Tür. Es war sinnlos, ich wußte es; aber es verkürzte das Warten. Die Luft war diesig. Ich fluchte; ich wußte, was das für Köster hieß. Ein Vogel schrie durch den Dunst. »Halt's Maul!« knurrte ich. Die Geschichten von Totenvögeln fielen mir ein. »Unsinn«, sagte ich laut und fröstelte trotzdem. Ein Käfer summte irgendwo – aber er kam nicht näher – er kam nicht näher. Er summte gleichmäßig leise; jetzt setzte er einmal aus – jetzt war er wieder da – jetzt noch einmal – ich zitterte plötzlich –, das war kein Käfer, das war ein sehr weiter Wagen, der mit hohen Touren in die Kurve ging. Ich stand stocksteif, ich hielt den Atem an, um besser hören zu können: Wieder – wieder – das leise, hohe Summen, wie eine zornige Wespe. Und jetzt stärker, ich unterschied den Ton des Kompressors deutlich: Da stürzte der bis zum Zerreißen gespannte Horizont zusammen in eine weiche Unendlichkeit, er begrub die Nacht unter sich, die Angst, das Grauen – ich sprang zurück, ich hielt mich an der Tür, ich sagte: »Sie kommen! Doktor, Pat, sie kommen. Ich höre sie schon!«
     Der Arzt hatte mich schon den ganzen Abend für ziemlich verrückt gehalten. Er stand auf und horchte ebenfalls. »Es wird ein anderer Wagen sein«, sagte er schließlich.
     »Nein, ich kenne den Motor.«
     Er sah mich gereizt an. Er schien sich für einen Autofachmann zu halten. Er war geduldig und vorsichtig wie eine Mutter mit Pat; aber sowie ich von Autos redete, funkelte er mich durch seine Brille an und wußte es besser. »Unmöglich«, sagte er kurz und ging wieder hinein.
     Ich blieb draußen. Ich zitterte vor Erregung. »Karl! Karl!« sagte ich. Jetzt wechselten gedämpfte und heulende Schläge – der Wagen mußte im Dorf sein, er fuhr in irrsinnigem Tempo zwischen den Häusern durch. Jetzt wurde das Heulen schwächer; er war hinter dem Wald – und jetzt schwoll es an, rasend, jubelnd, ein heller Strich wischte durch den Nebel, die Scheinwerfer, ein Donnern, der Arzt stand fassungslos neben mir, jäh blendete uns das voll heranschießende Licht, und mit knirschendem Ruck hielt der Wagen vor der Gartentür. Ich rannte hin. Der Professor stieg gerade aus. Er beachtete mich nicht, sondern ging auf den Arzt zu. Hinter ihm kam Köster. »Wie geht es ihr?« sagte er.
     »Sie blutet noch.«
     »Kommt vor«, sagte er, »brauchst dich noch nicht zu ängstigen.« Ich schwieg und sah ihn an.
     »Hast du eine Zigarette?« fragte er.
     Ich gab sie ihm. »Gut, daß du gekommen bist, Otto.«
    Er rauchte mit tiefen Zügen. »Dachte, es wäre besser so.«
    »Du bist sehr schnell gefahren.«
    »Es ging. Hatte bloß ein Stück Nebel.«
     Wir saßen auf der Bank nebeneinander und warteten. »Denkst du, daß sie durchkommt?« fragte ich.
     »Natürlich. Eine Blutung ist nicht gefährlich.«
     »Sie hat mir nie etwas davon gesagt.«
     Köster nickte. »Sie muß durchkommen, Otto«, sagte ich.
     Er sah nicht auf. »Gib mir noch eine Zigarette«, sagte er, »ich habe vergessen, meine einzustecken.«
     »Sie muß durchkommen«, sagte ich, »sonst ist alles Scheiße.«
     Der Professor kam heraus. Ich stand auf. »Verdammt will ich sein, wenn ich noch einmal mit Ihnen fahre«, sagte er zu Köster.
     »Entschuldigen Sie«, sagte Köster, »es ist die Frau meines Freundes.«
     »So«, sagte Jaffé und sah mich an.
     »Kommt sie durch?« fragte ich.
     Er betrachtete mich

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