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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Verkehrszeichen – er kümmerte sich nicht um die heranstürzenden Schupos. Er riß den Wagen wie ein Pferd durch den Verkehr. Im vierten Lokal fand er den Professor. Jaffé erinnerte sich sofort. Er ließ sein Essen stehen und kam gleich mit. Sie fuhren zu seiner Wohnung, um die notwendigsten Sachen zu holen. Dies war die einzige Strecke, die Köster zwar schnell fuhr, aber nicht raste. Er wollte den Arzt nicht vorzeitig erschrecken. Unterwegs fragte Jaffé, wo Pat liege. Köster nannte einen vierzig Kilometer entfernt liegenden Ort. Er wollte den Professor nur erst einmal im Wagen haben. Alles Weitere ergab sich dann von selbst. Während Jaffé seine Tasche packte, gab er Lenz Anweisung, was zu telefonieren sei. Dann stieg er zu Köster ein.
     »Ist es gefährlich?« fragte Köster.
     »Ja«, sagte Jaffé.
     In diesem Augenblick verwandelte sich Karl in ein weißes
    Gespenst. Er sprang mit einem Satz vom Start und fegte los. Er zwängte sich durch, er fuhr mit zwei Rädern über den Bürgersteig, er jagte in falscher Richtung durch Einbahnstraßen, er suchte den kürzesten Weg aus der Stadt heraus.
     »Sind Sie verrückt?« rief der Professor. Köster schoß unter den hohen Stoßstangen eines Omnibusses schräg hinweg, verringerte das Gas einen Moment und ließ den Motor wieder aufheulen.
     »Fahren Sie langsamer«, schrie der Arzt, »was nützt es Ihnen, wenn wir einen Unfall haben.«
     »Wir werden keinen Unfall haben.«
     »Wenn Sie so weiterfahren, in zwei Minuten.«
     Köster riß den Wagen links an einer Elektrischen vorbei.
     »Wir werden keinen Unfall haben.« Er hatte jetzt eine
    lange Straße zu fassen. Er sah den Arzt an. »Ich weiß selbst,
    daß ich Sie heil hinbringen muß. Verlassen Sie sich darauf, daß ich so fahre.«
     »Aber was nützt Ihnen die Raserei schon! Sie holen ein paar Minuten heraus.«
     »Nein«, sagte Köster und wich einem Lastwagen mit Steinen aus, »wir haben noch zweihundertvierzig Kilometer zu fahren.«
     »Was?«
     »Ja...« Der Wagen drehte sich zwischen einem Postauto und einem Autobus durch – »Ich wollte es Ihnen vorhin nicht sagen.«
     »Das wäre egal gewesen«, knurrte Jaffé, »ich richte meine Hilfe nicht nach Kilometern. Fahren Sie zum Bahnhof. Wir kommen mit der Eisenbahn schneller hin.«
     »Nein.« Köster hatte die Vorstadt erreicht. Der Wind riß ihm die Worte vom Mund. »Schon erkundigt – Zug fährt zu spät...« Er sah Jaffé noch einmal an, und der Arzt mußte wohl irgendwas in seinem Gesicht gesehen haben. »In Gottes Namen«, brummte er. »Ihre Freundin?«
     Köster schüttelte den Kopf. Er antwortete nicht mehr. Er hatte die Schrebergärten hinter sich und kam auf die Landstraße. Der Wagen fuhr jetzt mit vollen Touren. Der Arzt kroch hinter der schmalen Windschutzscheibe zusammen. Köster schob ihm seine Lederhaube hin. Die Hupe röhrte ununterbrochen. Die Wälder warfen den Schrei zurück. Köster ging in den Dörfern mit dem Tempo nur herunter, wenn es gar nicht anders ging. Hinter dem donnernden Widerhall der ungedrosselten Explosionen schlugen die Häuserreihen zusammen wie Schattentücher, der Wagen wischte hindurch, riß sie in die fahle Helle seiner Scheinwerfer und fraß sich weiter mit dem Lichtstrudel vor
    sich durch die Nacht.
     Die Reifen begannen zu knarren – zu zischen – zu heulen – zu pfeifen – der Motor gab jetzt alles her, was er hatte. Köster lag nach vorn geduckt, sein Körper war ein einziges gewaltiges Ohr, ein Filter, der das Donnern und Pfeifen auf Geräusche durchsiebte und auf der Lauer lag nach jedem winzigen Nebenlaut, jedem verdächtigen Schurren und Schleifen, das die Panne und den Tod bergen konnte.
     Die Straße wurde feucht. Auf der lehmigen Straße schwänzelte der Wagen und schleuderte. Köster mußte mit dem Tempo herunter. Dafür ging er nachher noch schärfer in die Kurven. Er fuhr nicht mehr mit dem Kopf; er fuhr nur noch mit dem Instinkt. Die Scheinwerfer leuchteten die Kurven nur zur Hälfte aus. In dem Moment, wo der Wagen drehte, war die Kurve schwarz und ohne Sicht. Köster half sich mit dem Sucher; aber der Strahl war sehr schmal. Der Arzt schwieg. Plötzlich flirrte die Luft vor den Scheinwerfern, sie bekam Farbe, blasses Silber, wolkige Schleier. Es war der einzige Augenblick, wo Jaffé Köster fluchen hörte. Eine Minute später waren sie im dichten Nebel.
     Köster blendete die Scheinwerfer ab. Sie schwammen in Watte, Schatten huschten hindurch, Bäume, undeutliche Schemen in

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