Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
finstere Besessenheit – immer mit der Illusion, daß es später mal anders wird. Es wird nie anders. Komisch, was man so aus seinem Leben macht.«
     »Ich finde, ein Arzt ist einer der wenigen Menschen, die wissen, wozu sie leben«, sagte ich. »Was soll denn dann ein Buchhalter sagen?«
    »Lieber Freund«, erwiderte Jaffé, »es ist ein Irrtum,
    anzunehmen, alle Menschen hätten die gleiche Empfindungsfähigkeit.«
     »Richtig«, sagte Köster, »aber die Menschen haben ihre Berufe nicht nach ihrer Empfindungsfähigkeit bekommen.«
     »Stimmt«, antwortete Jaffé. »Schwierige Dinge.« Er nickte
    mir zu. »Jetzt – aber ruhig, nicht anfassen, nicht sprechen lassen...«

     Sie lag in den Kissen, ohne Kraft, wie hingeschlagen. Ihr Gesicht war verfärbt, blaue, tiefe Schatten lagerten unter den Augen, und der Mund war blaß. Nur die Augen waren groß und glänzend.
     Viel zu groß und zu glänzend.
     Ich nahm ihre Hand auf. Sie war kühl und matt. »Pat, alter
    Bursche«, sagte ich verlegen und wollte mich zu ihr setzen. Da entdeckte ich am Fenster das Teiggesicht des Dienstmädchens, das mich neugierig anstarrte. »Gehen Sie mal 'raus«, sagte ich ärgerlich.
     »Ich soll doch die Gardinen zuziehen«, erwiderte sie.
     »Schön, machen Sie das und gehen Sie dann 'raus.«
     Sie zog die gelben Vorhänge vors Fenster. Aber sie ging noch immer nicht. Langsam begann sie die Vorhänge mit Nadeln zuzustecken.
     »Hören Sie«, sagte ich, »hier ist keine Theatervorstellung. Verschwinden Sie schleunigst.«
     Sie drehte sich pomadig um. »Erst soll ich sie zustecken und dann wieder nicht.«
     »Hast du ihr das gesagt?« fragte ich Pat.
    Sie nickte.
    »Tut dir das Licht von draußen weh?« fragte ich.
     Sie schüttelte den Kopf. »Besser, du siehst mich heute nicht so genau...«
     »Pat!« sagte ich erschreckt, »du darfst noch nicht sprechen! Aber wenn das der ganze Grund ist...«
     Ich machte die Tür auf, und das Dienstmädchen verschwand endlich. Ich ging zurück. Ich war jetzt nicht mehr verlegen. Ich war sogar ganz froh über das Dienstmädchen. Es hatte mich über den ersten Augenblick weggebracht. Es war doch eine verfluchte Sache gewesen, Pat so daliegen zu sehen.
     Ich setzte mich neben das Bett. »Pat«, sagte ich, »bald bist du wieder durch...«
     Sie bewegte den Mund. »Morgen schon...«
     »Morgen noch nicht, aber in ein paar Tagen. Dann darfst du aufstehen, und wir fahren nach Hause. Wir hätten nicht hierherfahren sollen, die Luft ist viel zu rauh für dich...«
     »Doch«, flüsterte sie, »ich bin ja nicht krank, Robby. Es war nur ein Unfall...«
     Ich sah sie an. Wußte sie denn wirklich nicht, daß sie krank war? Oder wollte sie es nicht wissen? Ihre Augen gingen unruhig hin und her. »Brauchst keine Angst zu haben...«, flüsterte sie. Ich verstand nicht sofort, was sie meinte und weshalb es so wichtig war, daß gerade ich keine Angst haben sollte. Ich sah nur, daß sie erregt war, ihre Augen hatten einen eigentümlich gequälten, dringenden Ausdruck. Und plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich begriff, was sie dachte. Sie glaubte, ich hätte Angst vor ihr, weil sie krank war. »Lieber Gott, Pat«, sagte ich, »ist das vielleicht
    der Grund, daß du mir nie etwas Genaues gesagt hast?«
    Sie antwortete nicht, aber ich sah, daß es das war.
    »Verdammt«, sagte ich, »wofür hältst du mich eigentlich?«
     Ich beugte mich über sie. »Lieg mal einen Augenblick ganz still, aber beweg dich nicht.« Ich küßte sie. Ihre Lippen waren trocken und heiß. Als ich mich aufrichtete, sah ich, daß sie weinte. Sie weinte lautlos, mit weit offenen Augen, und ihr Gesicht bewegte sich nicht. Die Tränen stürzten nur so hervor.
     »Um Gottes willen, Pat...«
     »Ich bin ja glücklich«, sagte sie.
     Ich stand da und sah sie an. Es war nur ein Wort gewesen, aber es war ein Wort, das ich so noch nie gehört hatte. Ich hatte Frauen gekannt, aber immer waren es flüchtige Begegnungen gewesen, Abenteuer, eine bunte Stunde manchmal, ein einsamer Abend, Flucht vor sich selbst, vor der Verzweiflung, vor der Leere. Ich hatte es auch gar nicht anders gewollt, denn ich hatte gelernt, daß man sich auf nichts anderes verlassen konnte als auf sich selbst und höchstens noch auf einen Kameraden. Jetzt sah ich plötzlich, daß ich einem Menschen etwas sein konnte, einfach weil ich da war, und daß er glücklich war, weil ich bei ihm war. Wenn man das so sagt, klingt es sehr einfach, aber wenn man darüber

Weitere Kostenlose Bücher