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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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die Hand unter ihrer Schulter, ich spürte die Erschütterungen ihres armen gequälten Rückens, es schien endlos zu dauern, dann fiel sie schlapp zurück...
    Fräulein Müller trat ein. Sie sah mich an wie ein Gespenst.
    »Was sollen wir machen?« rief ich.
    »Der Arzt kommt sofort«, flüsterte sie, »Eis – auf die
    Brust, und wenn es geht, in den Mund...«
     »Tief oder hoch legen, so reden sie doch, himmelverflucht, rasch.«
     »So lassen – er kommt sofort...«
     Ich packte Pat die Eisstücke auf die Brust, erlöst, daß ich etwas tun konnte, ich schlug Eis klein für Kompressen und legte sie auf und sah immer nur diesen süßen, geliebten, verzerrten Mund, diesen einzigen Mund, diesen blutenden Mund...
     Da rasselte ein Fahrrad. Ich sprang hoch. Der Arzt. »Kann ich helfen?« fragte ich. Er schüttelte den Kopf und packte seine Tasche aus. Ich stand dicht bei ihm am Bett und umklammerte die Pfosten. Er sah auf. Ich ging einen Schritt zurück und behielt ihn fest im Auge. Er betrachtete die Rippen Pats. Pat stöhnte.
     »Ist es gefährlich?« fragte ich.
     »Wo war Ihre Frau in Behandlung?« fragte er zurück.
     »Was? In Behandlung?« stotterte ich.
     »Bei welchem Arzt?« fragte er ungeduldig.
     »Ich weiß nicht –«, antwortete ich – »nein, ich weiß nichts – ich glaube nicht...«
     Er sah mich an. »Das müssen Sie doch wissen...«
     »Ich weiß es aber nicht. Sie hat mir nie etwas davon gesagt.«
     Er beugte sich zu Pat hinunter und fragte. Sie wollte antworten. Aber wieder brach der Husten rot durch. Der Arzt fing sie auf. Sie biß in die Luft und holte pfeifend Atem. »Jaffé«, stieß sie gurgelnd hervor.
     »Felix Jaffé? Professor Felix Jaffé?« fragte der Arzt. Sie nickte mit den Augen. Er wendete sich zu mir. »Können Sie ihm telefonieren? Es ist besser, ihn zu fragen.«
     »Jaja«, antwortete ich, »ich werde sofort. Ich hole Sie dann! Jaffé?«
     »Felix Jaffé«, sagte der Arzt, »verlangen Sie bei der Auskunft die Nummer.«
     »Kommt sie durch?« fragte ich.
     »Sie muß aufhören zu bluten«, sagte der Arzt.
     Ich faßte das Mädchen und rannte los, den Weg entlang. Sie zeigte mir das Haus mit dem Telefon. Ich klingelte. Eine kleine Gesellschaft saß bei Kaffee und Bier. Ich umfaßte sie mit einem kreisenden Blick und begriff nicht: daß Menschen Bier tranken, während Pat blutete. Ich verlangte ein dringendes Gespräch und wartete am Apparat. Während ich in die surrende Dunkelheit hineinhorchte, sah ich durch die Portieren den Ausschnitt des anderen Zimmers wolkig und überdeutlich. Ich sah eine Glatze hin und her schwanken, gelb vom Licht bespiegelt, ich sah eine Brosche auf dem schwarzen Taft eines geschnürten Kleides und ein Doppelkinn mit einem Kneifer und aufgetürmter Frisur darüber – eine knochige, alte Hand mit dicken Adern, die auf den Tisch trommelte –, ich wollte es nicht sehen, aber es war, als ob ich wehrlos sei: Es drang in meine Augen wie überstarkes Licht.
     Endlich meldete sich die Nummer. Ich fragte nach dem Professor.
     »Bedaure«, sagte die Schwester, »Professor Jaffé ist ausgegangen.«
     Mein Herz hörte auf zu schlagen und haute dann wie ein Schmiedehammer los. »Wo ist er denn? Ich muß ihn sofort sprechen.«
     »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er noch einmal in die Klinik gegangen.«
     »Bitte, rufen Sie die Klinik an. Ich warte hier. Sie haben doch noch einen zweiten Apparat.«
     »Einen Moment.« Das Sausen setzte wieder ein, die bodenlose Dunkelheit, über der hur der dünne Metallfaden schwebte. Ich zuckte zusammen. Neben mir, in einem verhängten Bauer fing ein Kanarienvogel an zu zirpen. Die Stimme der Schwester kam wieder. »Professor Jaffé ist aus der Klinik schon fortgegangen.«
     »Wohin?«
     »Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen, mein Herr.«
     Aus. Ich lehnte mich an die Wand. »Hallo!« sagte die Schwester, »sind Sie noch da?«
     »Ja – hören Sie, Schwester, Sie wissen nicht, wann er zurückkommt?«
    »Das ist ganz unbestimmt.«
     »Hinterläßt er das denn nicht? Das muß er doch. Wenn mal was passiert, muß er doch zu erreichen sein.«
     »Es ist ein Arzt in der Klinik.«
     »Können Sie denn den« – nein, es hatte ja keinen Zweck, der wußte es ja nicht – »gut, Schwester«, sagte ich todmüde, »wenn Professor Jaffé kommt, bitten Sie ihn, sofort dringend hier anzurufen.« Ich sagte ihr die Nummer. »Aber bitte, dringend, Schwester.«
     »Sie können sich darauf verlassen, mein Herr.«

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