Drei Tage voller Leidenschaft
zu groß. Es geht nicht voran.«
Nikki ließ nun endlich Sergej los, warf seine Handschuhe und den Stock beiseite, rannte die Treppe hinauf und stürzte aufgebracht in Alisas Schlafzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, es war erstickend heiß, und alle Gaslampen waren heruntergedreht.
Nikki lief zum Bett und blickte ängstlich auf die reglos daliegende Alisa. Sie wirkte durchsichtig blaß und umklammerte mit den Fäusten die Laken, die man an die Bettpfosten gebunden hatte. Winzige Schweißtröpfchen standen auf ihrer Oberlippe; feuchte Haarsträhnen klebten an ihrer blassen Stirn.
»Wo ist der verfluchte Arzt?« zischte Nikki Maria zu, die auf der anderen Bettseite stand. Alisas Lider zuckten nicht einmal beim Laut seiner Stimme. Heilige Mutter, war sie schon tot? Rasch beugte er sich herab, um ihren Puls zu fühlen. Er ging sehr schwach, aber nicht unregelmäßig.
»Wo ist der Arzt?« wiederholte er lauter und schälte sich gleichzeitig aus seinem Pelz, weil er in diesem heißen, ungelüfteten Zimmer fast erstickte. Dann drehte er sich um und blickte suchend durch den verdunkelten Raum.
»Hier, mein Prinz.« Ein kleiner Mann trat vor. Nikki sah ihn scharf an.
»Was zum Teufel geht hier vor sich?« knurrte er, sich mühsam beherrschend.
Der arme Doktor wand sich vor Unbehagen. Prinz Kuzans Temperament war bekannt. Dieser Mann konnte ihn von einer Stunde auf die andere nach Sibirien schicken. Sollte er es wagen, ihm die Wahrheit zu sagen? Konnte er es wagen, ihm mitzuteilen, daß das Kind zu groß war und nicht auf die Welt kommen konnte? Wenn er die Frau aufschnitt, würde man vermutlich das Kind retten, aber nicht alle Frauen überlebten die Operation, und sie war bereits sehr geschwächt. Ohne die Operation würden beide, Mutter und Kind, sterben.
»Nun, Doktor?« fragte Nikki ungeduldig und starrte auf die zögernde, unsichere Gestalt herab.
Der kleine Mann entschied sich für die Wahrheit. Wenn es zum Schlimmsten kam, konnte er sich immer noch an Prinz Michail wenden, der den Ruf hatte, gerecht zu sein.
»Haben Sie keine Zunge?« wollte Nikki wütend wissen.
Da teilte ihm der Arzt unumwunden die Wahrheit mit. Er könne bestenfalls das Kind retten. Mehr vermochte er nicht zu tun.
Da hob Nikki in blinder Wut den kleinen Mann in die Luft und warf ihn aus der Türe. Dann brüllte er nach Iwan und allen Dienern.
Innerhalb von wenigen Sekunden war er von einer ganzen Schar umgeben.
»Ich will in zehn Minuten alle Hebammen der Stadt hier sehen!« brüllte er. »Iwan, frag diesen unfähigen Kerl, der sich Arzt schimpft, nach den Namen und Adressen. Schick die Troikas los, um sie abzuholen. Und zwar sofort!« raste er und stürzte wieder ins Schlafzimmer zurück.
Die Stallburschen stellten einen neuen Rekord im Anschirren der Troikas auf, und als die letzte Schnalle geschlossen war, trieben die Kutscher die Pferde mit den Peitschen an und jagten davon. Knirschend und in Windeseile glitten die Schlitten über den frischgefallenen Schnee.
Nach zehn Minuten erschien die erste Hebamme, und innerhalb von zwanzig Minuten stand ein Dutzend Frauen auf dem Gang vor Alisas Zimmer.
Nikki, der Alisa in seiner Mischung aus Verzweiflung und Angst beobachtet hatte, trat auf den Gang hinaus und betrachtete die dort versammelten Frauen. Ein paar schickte er sofort wieder fort, weil sie zu schmutzig wirkten; die anderen schob er ins Zimmer zu Alisa.
Nachdem die Frauen sie untersucht hatten, schüttelten die meisten den Kopf und weigerten sich, sich um sie zu kümmern. Sie waren überzeugt, die junge Frau würde sterben, und wenn sie hier eingriffen, würde man ihnen anschließend die Schuld daran geben. Niemand wollte sich den Zorn von Prinz Kuzan zuziehen.
Eine Frau aber sagte mutig: »Es besteht nicht viel Hoffnung, Prinz, denn sie ist sehr schwach. Das Baby ist viel zu groß, aber ich werde es versuchen.«
Seine Welt geriet ins Schlingern. Keine Hoffnung? Alisa würde sterben? Nun waren all seine Reichtümer und seine Macht vergebens. Verzweiflung öffnete sich vor ihm wie ein schwarzer Schlund. Doch er wehrte sich entschlossen dagegen. Nikki stieß den Atem aus, den er unfreiwillig angehalten hatte, schickte die anderen Frauen mit einer brüsken Handbewegung hinaus und sagte mit einer Stimme, die heiser vor Anspannung klang: »Wenn du sie nicht beide retten kannst, opfere das Kind. Bring es irgendwie heraus – wie, das ist mir egal –, aber ich will meine Frau nicht verlieren. Hast du mich verstanden?«
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