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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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aber ich denke nicht an alle und jeden. Ich denke an mich.«
    »Madame, ich wage zu behaupten, dass Sie das immer tun.«
    »Ah, Sie halten mich für selbstsüchtig? Nun, möglicherweise bin ich es. Aber sehen Sie – ich hasse das Unglücklichsein; es beeinträchtigt sogar mein Spiel. Und ich werde so trostlos unglücklich sein, wenn er nicht in die Scheidung einwilligt – oder stirbt… Wenn man es recht bedenkt«, fuhr sie versonnen fort, »wäre es viel besser, wenn er stürbe. Erst dann würde ich mich endgültig von ihm erlöst fühlen.«
    Sie erhob sich, nahm lässig den weißen Pelz auf und blieb dann Mitleid heischend vor Poirot stehen.
    »Werden Sie mir helfen, Monsieur Poirot?« Vom Korridor drang Stimmengewirr herein, denn die Tür war nur angelehnt. »Wenn nicht…«
    »… wenn nicht, Madame?«, griff er ihre Worte auf.
    »Dann werde ich ein Taxi bestellen, schnurstracks zu ihm fahren und ihn mit eigener Hand ins Jenseits befördern.«
    Lachend verschwand sie ins Nebenzimmer, gerade in dem Augenblick, als Martin Bryan mit Carlotta Adams und ihrem Begleiter sowie mit dem Paar, das am selben Tisch wie er und Jane Wilkinson gesessen hatte, vom Korridor hereinkam. Die beiden wurden als Mr und Mrs Widburn vorgestellt.
    »Hallo! Wo steckt denn Jane?«, rief Bryan.
    Jane tauchte auf der Schwelle des Schlafzimmers wieder auf, einen Lippenstift in der Hand.
    »Haben Sie sie gebracht, Martin? Famos! Miss Adams, ich bewundere Ihre Verwandlungskunst so sehr, dass ich Sie einfach kennen lernen musste. Kommen Sie hier herein und plaudern Sie mit mir, während ich mein Gesicht ein bisschen zurechtmache. Ich sehe ja schrecklich aus.«
    Carlotta nahm die Einladung an und verließ uns.
    »Nun, Monsieur Poirot«, meinte Martin Bryan, indem er sich in einen Sessel warf, »hat unsere gute Jane Sie gekapert und überredet, für sie zu streiten? Sträuben Sie sich nicht lange. Heute oder morgen müssen Sie doch nachgeben, denn das Wort nein begreift Jane einfach nicht.« Er lehnte sich weit zurück und paffte lässig den Zigarettenrauch zur Decke empor. »Ein interessanter Charakter, diese Jane! Tabus gibt es nicht für sie. Moral auch nicht. Das soll nicht heißen, dass sie direkt unmoralisch ist – nein. Amoralisch würde ich sie nennen. Sie sieht im Leben nur eins: was Jane wünscht.« Er lachte amüsiert.
    »Ich glaube, sie würde munter jemand töten und sich beleidigt fühlen, wenn man sie hinterher erwischte und wegen ihrer Tat aufhängen wollte. Und das Schlimmste ist, dass sie unfehlbar erwischt werden würde. Sie ist ja so naiv. Mit einer Droschke vorfahren, unter ihrem richtigen Namen ins Haus spazieren und ihr Opfer über den Haufen schießen – das ist ihre Vorstellung von Mord.«
    »Nun möchte ich wirklich gern wissen, weshalb Sie das sagen«, murmelte Poirot, kaum hörbar.
    »Bitte?«
    »Sie kennen sie gut, Monsieur?«
    »Das will ich meinen!« Abermals lachte er, doch es klang unerwartet bitter.
    »Ja, Jane ist eine Egoistin«, pflichtete ihm Mrs Widburn bei. »Als Schauspielerin muss sie es freilich sein, wenn sie ihrer Persönlichkeit Geltung verschaffen will.«
    Hercule Poirot äußerte sich hierzu nicht. Seine Augen ruhten auf Martin Bryans Zügen, verweilten dort mit einem merkwürdig forschenden Ausdruck, den ich nicht ganz verstand. In diesem Moment rauschte Jane vom Nachbarzimmer herein, dicht auf ihren Fersen Carlotta Adams. Ich vermutete, dass sich Jane Wilkinson nunmehr »zurechtgemacht« hatte und mit ihrem Aussehen zufrieden war; ich selbst nahm allerdings keine Veränderung wahr und fand es überdies keiner Verbesserung bedürftig.
    Beim Abendessen, das nun folgte, herrschte eine ziemlich heitere Stimmung, und dennoch hatte ich bisweilen das Gefühl, dass es gewisse, nicht näher benennbare Unterströmungen gab.
    Jane Wilkinson sprach ich von jeder Raffinesse frei; ihr Wunsch, mit Poirot zu reden, war erfüllt worden, und sie befand sich jetzt in ausgezeichneter Stimmung. Carlotta Adams in unseren Kreis zu ziehen entsprach – so sagte ich mir – einer flüchtigen Laune; es war ein Nachwehen jenes kindlichen Vergnügens, das sie bei der gelungenen Nachahmung der eigenen Person empfunden hatte.
    Nein, die Unterströmungen, die ich ahnte, hingen nicht mit Jane Wilkinson zusammen. Mit wem aber sonst?
    Der Reihe nach begann ich die Gäste zu studieren. Martin Bryan? Er benahm sich bestimmt nicht ganz natürlich. Doch konnte das ganz gut eine charakteristische Eigenschaft eines Filmstars sein,

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