Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
einige Hochkaräter mehr. Und unser Glück war zunächst: Eine Woche lang gab es in den Zeitungen nichts anderes als das freudige ZDF -Bashing mit »Usedomina« Müller-Hohenstein. Als Usedom durch war, kam Scholli mit seinem wund gelegenen Gomez dran. Ich sagte schon zu den Kollegen: »Sehr schön, die haben uns vergessen.« Aber dann waren wir an der Reihe. Die zweite mediale Welle, als das Draufhauen auf Usedom langweilig wurde, hat uns mit voller Wucht erfasst.
Da war Polemik mal wieder Trumpf. Und wenn die Kritiker ehrlich sind: Nach dem Aus gegen Italien haben wir wirklich Klartext gesprochen: über Löws Aufstellung, was falsch gelaufen ist, ob uns die Führungsspieler fehlen. Matze-Einlagen? Gab’s kaum noch. Bloß: Dann wurde, so scheint’s mir, bewusst weggeschaut, weil sich keiner seine Geschichte totrecherchieren wollte. Nach dem Motto: Ich muss doch nicht Waldi schauen, um Waldis Sendung in die Pfanne zu hauen. Da werde ich richtig ärgerlich, wenn mit purer Bosheit geschrieben wird und es nur noch um meine Körperfülle geht. Was hat mein Bauch mit der Moderation des Clubs zu tun? Oder wenn permanent das Klischee »Bierseligkeit« bemüht wird – dabei war in den Krügen nie auch nur ein Tropfen Alkohol. Die enthielten sechs Jahre lang immer nur Wasser. Wenn ständig etwas rausgezogen wird, damit es passt, dann kann ich den Rest auch nicht ernst nehmen. Konstruktive Kritik, was man besser machen könnte, kommt eh nie. Das ist reines Eunuchentum der Journalistenkollegen: Ich kann’s zwar nicht, aber ich schreibe drüber.
Wobei ich felsenfest überzeugt bin: Diese Kritiken liest eh kein normaler Mensch. Die Medienseiten der FAZ oder anderer Blätter führen sich nur Medienmenschen zu Gemüte, und zwar ausschließlich die. Das ist Braten im eigenen Saft, zur gegenseitigen Befriedigung und Beglückung. Dem Zuschauer ist völlig egal, was da steht. Das zeigen die Zahlen. Wir haben die Quote im Vergleich zur WM 2010 nochmals gesteigert, mit fünf Millionen Zuschauern nach dem Italien- Spiel, mit 30 Prozent Marktanteil, und das mitten in der Nacht. Giovanni di Lorenzo fragte mich: »Lesen Sie denn das Zeug?« Klar, antwortete ich, lese ich das. Wenn der Pressespiegel kommt, überblättere ich nicht zwanghaft meine Kritiken. Darauf er: »Ich lese es nicht, die Verrisse nicht und die Hymnen auch nicht. Ich will mich nämlich nicht mit den Augen anderer sehen.« Den Satz kannte ich nicht, aber ich finde ihn gut. Und Harald Schmidt meinte einmal zu mir: »Waldi, Kritik ist immer so wichtig, wie du sie nimmst.«
Bei der Europameisterschaft habe ich nach einer Kritik die dazugehörigen Einschaltquoten gelesen, zum Ausgleich und zur Beruhigung. Denn die haben mir wesentlich besser gefallen. Helmut Thoma hat das mit dem Wurm, der dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler, perfekt auf den Punkt gebracht. Und wenn er so vielen Fischen schmeckt wie bei uns, kann es kein ganz schlechter Wurm gewesen sein. Damit sind alle Fragen beantwortet.
Meine einzig wahre Kritikerin ist eh meine Frau Petra. Sie kennt mich am besten, sie ruft immer nach den Sendungen bei mir an und sagt dann zum Beispiel: »Waggala, heute hast du richtig arbeiten und anschieben müssen.« Und wenn die Sendung gut war, meint sie: »Heute hast du nichts tun müssen, heute ist es von selber gelaufen.«
Was mich schmunzeln lässt und was typisch für die ARD ist: Für meine Nachfolge haben sie ein öffentliches Casting veranstaltet und erst Matthias Opdenhövel, dann Reinhold Beckmann und dann Gerhard Delling aufs Eis geschickt. Und am Ende wurde es keiner von den dreien, sondern Alexander Bommes. Herrlich! Im Demontieren ihrer Aushängeschilder ist die ARD unübertroffen – ist halt eine Anstalt! Wie erkläre ich bitte dem Publikum, dass der erste Sturm, die drei herrlichsten Sportmoderatoren des Ersten Deutschen Fernsehens, nicht dazu fähig ist, den ins mediale Altersheim entsorgten Waldemar Hartmann abzulösen? Wobei das Konzept dieses Sportschauclubs, falls es je eines gab, auch nicht zwingend brillant war: Nach einer Stunde ernsthafter Analyse machen wir noch mal dreißig Minuten ernsthafte Analyse, bis auch der letzte Zuschauer sanft entschlummert ist. Da hat dann sogar mancher Kritiker geschrieben: Das war hart, Mann! Beziehungsweise: Das war leider nicht Hartmann.
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DIESE ARD MACHT UNS KEINER NACH
Das Geschachere um Quote und Geld beim gebührenfinanzierten Rundfunk
Wenn man von der ARD als Sender redet, stimmt das eigentlich
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