Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
gar nicht. Denn die ARD ist kein Sender und keine Anstalt, auch wenn man es manchmal meinen möchte. Sie ist, der volle Name verrät es bereits, eine Arbeitsgemeinschaft verschiedener Sender. Im Originalton: Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands. Spötter meinen, es hieße besser: Alle reden durcheinander.
In dieser »Arbeitsgemeinschaft«, die statt ARD genauso gut VMT heißen könnte (Vereinigung zum Mauscheln und Tricksen) sind neun Landessender scheinbar friedlich vereint, wobei es mit dem Frieden meist nicht allzu weit her ist. Man könnte auch schreiben: Die neun Sender vom Bayeri schen Rundfunk ( BR ) bis zum Westdeutschen Rundfunk ( WDR ) sind ebenso zwangsweise wie unfriedlich in der ARD vereint. Aber was will man auch an Liebe und Harmonie erwarten nach dreiundsechzig Jahren Ehe?
Und wie funktioniert die ARD ? Zu den gemeinsamen Sitzungen schicken die Anstalten jeweils ihre Intendanten, Direktoren, Chefredakteure, Sportchefs und noch vieles andere Personal. Je mehr Personal quer durch die Republik unterwegs ist, desto besser – denn wer auf Dienstreise ist, kann im heimischen Büro nicht stören. Dies führt zu hohem Spesenaufkommen und zu einer regen Reisetätigkeit, die bei der Auslastung von Flugzeugen, Zügen, Taxis und Hotels in ganz Deutschland eine nicht zu unterschätzende volkswirtschaftliche Rolle spielt.
In diesen Konferenzen geht es mehr oder weniger um Personen (mehr) und um Inhalte (weniger), die das gemeinsame Programm, »Das Erste«, beleben sollen. Dann fühlt man sich an den Basar eines Entwicklungslandes erinnert, denn um alles und jedes (und jeden) wird sorgfältig gefeilscht. Und wer eine Mehrheit zusammenkriegt, gewinnt. In der Runde der Sportchefs, ich war sechs Jahre lang selbst dabei, dreht sich im Prinzip alles darum, wer in der Glotze seine Nase präsentieren darf. Zuerst denkt mal jeder Sportchef an sich selbst.
Wenn er sich aber aus irgendwelchen Gründe dafür nicht geeignet hält (weil er in den Spiegel geschaut und ihn dabei die kluge Selbsterkenntnis überkommen oder weil sein Sender ihn als Schreibtischtäter eingestellt hat), dann bringt er einen Mitarbeiter seines Senders ins Gespräch. Ist dieser Mitarbeiter eine Mitarbeiterin, hat sie eigentlich schon gewonnen. Denn Frauen in der sportlichen Fernsehwelt haben kein Problem mit der Quote. Sie werden händeringend gesucht und bei nächster Gelegenheit sofort auf den Schirm befördert.
Gibt es allerdings mehrere Vorschläge an männlichen Vortragskünstlern, dann treten die Gesetze des Basars in Kraft. Dann wird telefoniert, dann werden im stillen Kämmerlein Verabredungen getroffen und Entscheidungen gefällt, die nicht immer etwas mit der Qualität der Bewerber zu tun haben, sondern mit der Stärke der anwesenden Anstaltsvertreter. Der mächtigste von ihnen ist der des WDR . Der Westdeutsche Rundfunk ist der reichste Sender und der sogenannte Federführer für einige sportliche Großereignisse wie beispielsweise alle Fußballeuropameisterschaften. Zudem ist in Köln die herrliche ARD -Sportschau angesiedelt. Der Sportchef des WDR hat zwar nur eine einzige Stimme, ebenso wie der Vertreter von Radio Bremen (Branchenjargon »Kopfhörerstation«, weil die Vertreter der Zwergsender immer nur zu hören, aber selten etwas sagen), aber durch seine schiere Größe verfügt der WDR natürlich über mehr Einfluss. Es ist schwer bis unmöglich für den Vertreter eines kleinen Senders, ein Format oder einen Kollegen ins »Erste« zu befördern, wenn er die »Großen Vier« ( WDR , SWR , NDR und BR ) nicht überzeugen kann.
Oder er will es auch gar nicht, wie vor gut fünfundzwanzig Jahren, als ein gewisser Johannes B. Kerner noch für den damaligen SFB (Insiderbezeichnung »Videoclub Charlottenburg«) arbeitete, aber in der Sportchefrunde niemand diesen hochtalentierten und pfiffigen jungen Mann kannte. Grund: Sein damaliger Chef Jochen Sprentzel, vor der Kamera weniger talentiert, aber umso pfiffiger, wenn es darum ging, seine eigene Macht zu betonieren, hielt diesen Kerner sorgfältig versteckt – meiner Meinung nach, um seinen eigenen Moderatorenplatz in der Sportschau nicht zu gefährden.
Und so funktioniert das ganze System. Von unten nach oben und umgekehrt. Für Bildschirmpräsenz in der einen oder anderen Sportsendung reicht eine anständige Hausmacht in der ARD allemal aus. Wer geschickt manipulieren und intrigieren kann, für den ist es zum Moderieren nicht mehr weit. Das ist auch so, weil der Sport
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