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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Eitelkeiten befriedigt werden.
    Ich habe damals zu Rummenigge gesagt: »Mensch Kalle, du bist eloquent, du schaust gut aus, bittschön stell dich vor die Kamera und sag dem Berti, wie sie zu spielen haben. Und wenn sie dann hinten liegen, sagst du einfach, sie haben leider nicht das gemacht, was ich gesagt habe. Und wenn sie führen, dann sagst du, die haben genau gemacht, was ich gesagt habe. Und am Schluss klopfen dir alle auf die Schulter, so oder so.« Denn so funktioniert nun einmal der Expertenjob, egal ob 1994 oder 2013 . Mein guter Rat für Kalle: »Hör mal, das ist das Beste für dich, als Experte vor der Kamera. Als Kommentator bist du meistens der Depp, mindestens zehn Millionen Bundestrainer sitzen vor dem Fernseher und wissen alles besser als du. Du ziehst alle Pfeile auf dich. Und ganz Deutschland sagt: Der hat keine Ahnung.«
    Aber er wollte partout nicht vor die Kamera, das war fast eine Art Phobie bei ihm. Die Gründe verstehe ich bis heute nicht. Und plötzlich stand in den Zeitungen: Kalle redet zu viel. Schlimm genug, wenn einer zu viel quasselt, und im Ersten quasseln auch noch zwei. Kann man nicht mehr hören. Langsam hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung eine Negativspirale in Bewegung gesetzt, du konntest den Überdruss richtig spüren. Kalli war in, Kalle war out – und hörte dann nach der WM auch ziemlich bald auf, was bei uns zur Erfindung von Delling und Netzer führte, nach dem 96 er Intermezzo mit wechselnden Experten wie Hansi Müller. Rummenigge hätte im Ersten mühelos zum Netzer werden können, aber er wollte nicht.
    Das Zweierkommentieren mit Kalle und Rubi, mit Kalle und Fassi, das bis heute zum Beispiel in England brillant gemacht wird, war plötzlich aus der Mode. Vier Jahre später, 1998 bei der WM in Frankreich, drehte sich der Wind erneut. Feldkamps Stern war seit zwei Jahren ohnehin am Sinken, weil er während der EM in England Berti Vogts immer noch die Brause gegeben hatte. Zu seinem Pech wurde Berti Europameister. Oliver Bierhoff hatte im Finale einen Ball getroffen, was bisweilen vorkam, und plötzlich war Feldkamp der Nestbeschmutzer, der dem kleinen großen Bundestrainer am Zeug geflickt hatte. Und 1998 waren Kürten und Feldkamp, der den deutschen Fußball am Ende doch nicht vor Berti Vogts retten durfte, die raunzenden alten Männer in den grauen Trenchcoats. Die Fußballversion von Statler und Waldorf aus der Muppet Show , aber leider weniger lustig. Und Deutschland lag Delling und Netzer zu Füßen.
    Ich hatte Günter Netzer zum ersten Mal bei der EM 1996 als Experte im Schweizer Fernsehen gesehen. Und ich dachte mir: »Mensch, der Netzer macht das richtig gut.« Wobei sich viele gar nicht mehr erinnert haben, dass Netzer als Experte eigentlich schon verbrannt war, nach einem Desaster Ende der Achtziger neben Ulli Potofski im Anpfiff von RTL plus, wie der Sender damals hieß. Damals hatten die Privaten der ARD erstmals die Bundesligarechte abgeknöpft. Der später zu Recht so hochgelobte Netzer galt damals als die Schlaftablette der Fußballanalyse, weil seine stoische Art nicht in die bunten und schrillen Spätachtziger passte und weil er nervös herumzappelte, wie man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann. Vielleicht sah er neben der Pudelfrisur von Potofski und neben der damals extrem angesagten Sexsirene Erika Berger, die ebenfalls durch die Sendung irrte, auch einfach nur zu blass aus. Also nix mit RTL plus – das war ein einziges Minus. Glück für Günter: Kaum jemand schaute zu, und zu Beginn erreichte RTL plus in Deutschland gerade mal knapp zwei Millionen Zuschauer.
    1996 im Schweizer Fernsehen hat sich Günter dann aber wohlgefühlt. Dort war er richtig gut, weil er ein Spiel damals schon meisterhaft auf den Punkt bringen konnte. Und die ARD hatte keinen hauptamtlichen Fußballexperten. Also kauften wir Netzer ein. Ich werde nie vergessen, wir sitzen 1998 in Nizza bei der deutschen Mannschaft, ich sehe das erste Spiel von Delling und Netzer und sage zu den Kollegen Jürgen Bergener und Benno Neumüller: »Mensch, der Delle weiß noch gar nicht, auf welcher Wolke der heute nach oben getragen wird.« Denn die beiden haben das richtig gut gemacht. Das war neu, das war frisch, unterhaltsam und informativ. Die beiden passten perfekt zusammen.
    Zuvor hatte ich die Spiele noch abwechselnd mit Delling moderiert, und mir war sofort klar: »Scheiße, den Job kriegst du nie mehr.« Natürlich ärgert einen das, ich bin ja nicht die Mutter Teresa der

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