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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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deutschen Sportberichterstattung. Natürlich sieht man das und denkt sich: Da könntest du auch stehen. Netzing klang gut, aber Netzmann hätte noch besser geklungen, zumindest aus meiner Sicht. Doch der Zug war abgefah ren. In Deutschland kam es zu einem regelrechten Boom, einer Wahnsinnseuphorie um Netzing. Es wurden Comedy-CDs auf genommen, die die beiden parodierten. Es regnete Preise für die beiden, alle Kameras, Bambis, Grimme-Preise, Nobelpreise, und was weiß ich noch. Delling und Netzer waren heilig. Und Feldkamp war tot. Klassischer Fall von »Has been«.
    Die beiden blieben bis 2006 heilig, bis Jürgen Klopp mit einem sensationellen Knalleffekt einschlug. Bei der Konkurrenz. Ich erinnere mich noch genau: Während Klopp fürs ZDF im Sony-Center am Potsdamer Platz die Hütte rockte und La Ola machte, hockten Delling und Netzer in einem grauen Keller in Bocklemünd in einem unterirdischen Raumschiff und wirkten wie Herta Däubler-Gmelin im Vergleich zu Angelina Jolie. Im Zweiten der pure Fußballsex, der genau die überschäumende Sommermärchenstimmung bei der Heim- WM aufgriff, Fanmeilenfußball vom Allerfeinsten – und bei uns fußballerische Rheumatherapie, live aus der Seniorenresidenz Waldfrieden. Klopp dagegen im Nationaltrikot mit Schwarz-Rot-Gold im Gesicht, der mit völlig neuer 3 -D-Technik auch noch brillant analysierte.
    Die Brasilianer, die in ihrem Hotel Fernsehen geschaut hatten, waren hin und weg, erzählte mir ein Hoteldirektor. Ronaldinho wollte unbedingt wissen, wer der irre Typ ist, der da im Fernsehen so toll Männchen malen kann. So toll hatte er das noch nie gesehen. Und tatsächlich: Kloppo hat auf seiner Zaubermaschine Spieler verschoben, das ganze Spielfeld einmal um 180 Grad gedreht und gezeigt, was falsch am Laufweg des Verteidigers war, warum das Tor gefallen ist. Das hatte es noch nie gegeben! Im WM -Team der ARD durftest du den Namen Klopp vier Wochen lang nicht einmal erwähnen. Denn bei uns im Studio stand Günter mit der Krawatte des Tages, die ihm seine Elvira rausgelegt hatte, und mit Zetteln vor der Nase. Das war kein 3 D, das war kein 2 D, das war maximal 1 D.
    Delling und Netzer konnten nichts dafür, die beiden waren selbst genervt von der Situation in ihrem verdammten Bunker und gingen sich auch noch zunehmend gegenseitig auf die Nerven. Die Katastrophe war – so sah nicht nur ich es – auf dem Mist von Gevatter Faßbender gewachsen, dem Berti Vogts des deutschen Sportfernsehens, der seinen kreuzlangweiligen Möchtegern-Feuilleton-Fußball auch für die Sommermärchen- WM im eigenen Land durchgesetzt hatte. Damit nur ja kein Zuschauer Spaß und gute Laune hat, wäre ja noch schöner! Nie zuvor und nie danach hat ein Sender in Deutsch land bei einer Fußball- WM so haushoch verloren. Doch Fassi hielt den Potsdamer Platz und Kloppo für Kindergeburtstag. Und Pech hatte er auch noch, denn das Sommermärchen ging ab wie eine Rakete, was vorher keiner wissen konnte. Wenn es anders gekommen wäre, wäre der schwarz-rot-geile Fußballkarneval am Potsdamer Platz tatsächlich eine Lachnummer gewesen. Ergebnis jedenfalls: ARD – bei uns sitzen Sie in der siebzehnten Reihe und kriegen garantiert nichts mit von der WM -Stimmung. Was habe ich mich geärgert, trotz der tollen Quoten für meinen Club .
    Nach dem Sommermärchenfiasko war es mit der Netzing-Herrlichkeit erst einmal vorbei, und als Reaktion haben die beiden ihren Showpart ausgebaut. Es war ja so: Jahre lang hat Delling den braven Fragensteller gegeben, den Hacki Wimmer der ARD , und hat Großguru Günter glänzen lassen. Er hat ihm die Bälle flach in den Lauf gespielt und Netzer verwandeln lassen, was ja auch der Sinn dieser Moderatoren-Experten-Nummer ist. Plötzlich hat das nicht mehr funktio niert. Und zudem gab es Szenen einer Ehe, wie sie sich Ingmar Bergman nicht schöner hätte ausdenken kön nen. Unser Wortspielweltmeister Delle wollte sich freischwim men, vielleicht wollte er endlich nicht mehr Hacki Wimmer sein, sondern selber Pelé. Jedenfalls haben die beiden teilweise wochenlang nicht mehr miteinander gesprochen, so heißt es. Da mussten Mitarbeiter der Programmkoordination therapeu tische Arbeit verrichten. In diesen Stummfilmzeiten haben Delling und Net zer wirklich nur mehr bei den Sendungen miteinander geredet – weil es ja doch komisch ausgeschaut hätte, wenn sie sich auch dann noch angeschwie gen hätten.
    Also haben sie die Kienzle-Hauser-Nummer weiter ausgebaut, eine Art früher

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