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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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aualten“, sagte sich Gregor.
    Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines Körpers
    aus dem Bett hinauskommen, aber dieser untere Teil, 
    den er übrigens noch nicht gesehen hatte und von dem er
    sich auch keine rechte Vorstellung machen konnte, er-
    wies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam;
    und als er schließlich, fast wild geworden, mit gesam-
    melter Kra, ohne Rücksicht sich vorwärtsstieß, hatte er 
    die Richtung falsch gewählt, schlug an den unteren Bett-
    pfosten heig an, und der brennende Schmerz, den er
    [  ]
    empfand, belehrte ihn, daß gerade der untere Teil sei-
    nes Körpers augenblicklich vielleicht der empfindlichste
    war.
    Er versuchte es daher, zuerst den Oberkörper aus dem
     Bett zu bekommen, und drehte vorsichtig den Kopf dem
    Bettrand zu. Dies gelang auch leicht, und trotz ihrer
    Breite und Schwere folgte schließlich die Körpermasse
    langsam der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf
    endlich außerhalb des Bettes in der freien Lu hielt,
     bekam er Angst, weiter auf diese Weise vorzurücken,
    denn wenn er sich schließlich so fallen ließ, mußte gera-
    dezu ein Wunder geschehen, wenn der Kopf nicht ver-
    letzt werden sollte. Und die Besinnung dure er gerade
    jetzt um keinen Preis verlieren; lieber wollte er im Bett
     bleiben.
    Aber als er wieder nach gleicher Mühe aufseufzend so
    dalag wie früher, und wieder seine Beinchen womöglich
    noch ärger gegeneinander kämpfen sah und keine Mög-
    lichkeit fand, in diese Willkür Ruhe und Ordnung zu
     bringen, sagte er sich wieder, daß er unmöglich im Bett
    bleiben könne und daß es das Vernünigste sei, alles zu
    opfern, wenn auch nur die kleinste Hoffnung bestünde,
    sich dadurch vom Bett zu befreien. Gleichzeitig aber
    vergaß er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern,
     daß viel besser als verzweifelte Entschlüsse ruhige und
    ruhigste Überlegung sei. In solchen Augenblicken rich-
    tete er die Augen möglichst scharf auf das Fenster, aber
    [  ]
    leider war aus dem Anblick des Morgennebels, der sogar
    die andere Seite der engen Straße verhüllte, wenig Zuver-
    sicht und Munterkeit zu holen. „Schon sieben Uhr“,
    sagte er sich beim neuerlichen Schlagen des Weckers,
    „schon sieben Uhr und noch immer ein solcher Nebel.“ 
    Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit schwachem
    Atem, als erwarte er vielleicht von der völligen Stille die
    Wiederkehr der wirklichen und selbstverständlichen Ver-
    hältnisse.
    Dann aber sagte er sich: „Ehe es ein viertel acht 
    schlägt, muß ich unbedingt das Bett vollständig verlassen
    haben. Im übrigen wird auch bis dahin jemand aus dem
    Geschä kommen, um nach mir zu fragen, denn das
    Geschä wird vor sieben Uhr geöffnet.“ Und er machte
    sich nun daran, den Körper in seiner ganzen Länge voll- 
    ständig gleichmäßig aus dem Bett hinauszuschaukeln.
    Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett fallen ließ,
    blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte,
    voraussichtlich unverletzt. Der Rücken schien hart zu
    sein; dem würde wohl bei dem Fall auf den Teppich 
    nichts geschehen. Das größte Bedenken machte ihm die
    Rücksicht auf den lauten Krach, den es geben müßte und
    der wahrscheinlich hinter allen Türen wenn nicht
    Schrecken, so doch Besorgnisse erregen würde. Das
    mußte aber gewagt werden.
    
    Als Gregor schon zur Häle aus dem Bette ragte – die
    neue Methode war mehr ein Spiel als eine Anstrengung,
    [  ]
    er brauchte immer nur ruckweise zu schaukeln –, fiel
    ihm ein, wie einfach alles wäre, wenn man ihm zu Hilfe
    käme. Zwei starke Leute – er dachte an seinen Vater und
    das Dienstmädchen – hätten vollständig genügt; sie hät-
     ten ihre Arme nur unter seinen gewölbten Rücken schie-
    ben, ihn so aus dem Bett schälen, sich mit der Last nie-
    derbeugen und dann bloß vorsichtig dulden müssen, daß
    er den Überschwung auf dem Fußboden vollzog, wo
    dann die Beinchen hoffentlich einen Sinn bekommen
     würden. Nun, ganz abgesehen davon, daß die Türen
    versperrt waren, hätte er wirklich um Hilfe rufen sollen?
    Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein
    Lächeln nicht unterdrücken.
    Schon war er so weit, daß er bei stärkerem Schaukeln
     kaum das Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald
    mußte er sich nun endgültig entscheiden, denn es war in
    fünf Minuten einviertel acht, – als es an der

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