Drucke zu Lebzeiten
seiner
Versäumnis längst erstattet. Es war eine Kreatur des
Chefs, ohne Rückgrat und Verstand. Wie nun, wenn er
sich krank meldete? Das wäre aber äußerst peinlich und
verdächtig, denn Gregor war während seines fünähri-
gen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen. Gewiß
würde der Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen,
würde den Eltern wegen des faulen Sohnes Vorwürfe
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machen und alle Einwände durch den Hinweis auf den
Krankenkassenarzt abschneiden, für den es ja überhaupt
nur ganz gesunde, aber arbeitsscheue Menschen gibt.
Und hätte er übrigens in diesem Falle so ganz unrecht?
Gregor fühlte sich tatsächlich, abgesehen von einer nach
dem langen Schlaf wirklich überflüssigen Schläfrigkeit,
ganz wohl und hatte sogar einen besonders kräigen
Hunger.
Als er dies alles in größter Eile überlegte, ohne sich
entschließen zu können, das Bett zu verlassen – gerade
schlug der Wecker dreiviertel sieben – klope es vorsich-
tig an die Tür am Kopfende seines Bettes. „Gregor“, rief
es – es war die Mutter –, „es ist dreiviertel sieben. Woll-
test du nicht wegfahren?“ Die sane Stimme! Gregor
erschrak, als er seine antwortende Stimme hörte, die
wohl unverkennbar seine frühere war, in die sich aber,
wie von unten her, ein nicht zu unterdrückendes,
schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte förmlich
nur im ersten Augenblick in ihrer Deutlichkeit beließ,
um sie im Nachklang derart zu zerstören, daß man nicht
wußte, ob man recht gehört hatte. Gregor hatte ausführ-
lich antworten und alles erklären wollen, beschränkte
sich aber bei diesen Umständen darauf, zu sagen: „Ja, ja,
danke Mutter, ich stehe schon auf.“ Infolge der Holztür
war die Veränderung in Gregors Stimme draußen wohl
nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit
dieser Erklärung und schlüre davon. Aber durch das
[ ]
kleine Gespräch waren die anderen Familienmitglieder
darauf aufmerksam geworden, daß Gregor wider Erwar-
ten noch zu Hause war, und schon klope an der einen
Seitentür der Vater, schwach, aber mit der Faust. „Gre-
gor, Gregor“, rief er, „was ist denn?“ Und nach einer
kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme:
„Gregor! Gregor!“ An der anderen Seitentür aber klag-
te leise die Schwester: „Gregor? Ist dir nicht wohl?
Brauchst du etwas?“ Nach beiden Seiten hin antwortete
Gregor: „Bin schon fertig“, und bemühte sich, durch
die sorgfältigste Aussprache und durch Einschaltung
von langen Pausen zwischen den einzelnen Worten sei-
ner Stimme alles Auffallende zu nehmen. Der Vater
kehrte auch zu seinem Frühstück zurück, die Schwester
aber flüsterte: „Gregor, mach auf, ich beschwöre dich.“
Gregor aber dachte gar nicht daran aufzumachen, son-
dern lobte die vom Reisen her übernommene Vorsicht,
auch zu Hause alle Türen während der Nacht zu ver-
sperren.
Zunächst wollte er ruhig und ungestört aufstehen, sich
anziehen und vor allem frühstücken, und dann erst das
Weitere überlegen, denn, das merkte er wohl, im Bett
würde er mit dem Nachdenken zu keinem vernünigen
Ende kommen. Er erinnerte sich, schon öers im Bett
irgendeinen vielleicht durch ungeschicktes Liegen er-
zeugten, leichten Schmerz empfunden zu haben, der sich
dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte,
[ ]
und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellun-
gen allmählich auflösen würden. Daß die Veränderung
der Stimme nichts anderes war, als der Vorbote einer
tüchtigen Verkühlung, einer Berufskrankheit der Rei-
senden, daran zweifelte er nicht im geringsten.
Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte
sich nur ein wenig aufzublasen und sie fiel von selbst.
Aber weiterhin wurde es schwierig, besonders weil er
so ungemein breit war. Er hatte Arme und Hände ge-
braucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber hatte er
nur die vielen Beinchen, die ununterbrochen in der ver-
schiedensten Bewegung waren und die er überdies nicht
beherrschen konnte. Wollte er eines einmal einknicken,
so war es das erste, daß es sich streckte; und gelang es
ihm endlich, mit diesem Bein das auszuführen, was er
wollte, so arbeiteten inzwischen alle anderen, wie freige-
lassen, in höchster, schmerzlicher Aufregung. „Nur sich
nicht im Bett unnütz
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