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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im Geschä,
    und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem
    Herrn Chef zu empfehlen!“
    Und während Gregor dies alles hastig ausstieß und
    kaum wußte, was er sprach, hatte er sich leicht, wohl
     infolge der im Bett bereits erlangten Übung, dem Kasten
    genähert und versuchte nun, an ihm sich aufzurichten.
    Er wollte tatsächlich die Tür aufmachen, tatsächlich sich
    sehen lassen und mit dem Prokuristen sprechen; er war
    begierig zu erfahren, was die anderen, die jetzt so nach
     ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen würden. Wür-
    den sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verant-
    wortung mehr und konnte ruhig sein. Würden sie aber
    alles ruhig hinnehmen, dann hatte auch er keinen Grund
    sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich beeilte, um
     acht Uhr tatsächlich auf dem Bahnhof sein. Zuerst glitt
    er nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber end-
    lich gab er sich einen letzten Schwung und stand auf-
    [  ]
    recht da; auf die Schmerzen im Unterleib achtete er gar
    nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun ließ er sich
    gegen die Rückenlehne eines nahen Stuhles fallen, an deren
    Rändern er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte
    er aber auch die Herrscha über sich erlangt und ver- 
    stummte, denn nun konnte er den Prokuristen anhören.
    „Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?“ fragte der
    Prokurist die Eltern, „er macht sich doch wohl nicht
    einen Narren aus uns?“ „Um Gottes willen“, rief die
    Mutter schon unter Weinen, „er ist vielleicht schwer 
    krank, und wir quälen ihn. Grete! Grete!“ schrie sie
    dann. „Mutter?“ rief die Schwester von der anderen Sei-
    te. Sie verständigten sich durch Gregors Zimmer. „Du
    mußt augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank. Rasch
    um den Arzt. Hast du Gregor jetzt reden hören?“ „Das 
    war eine Tierstimme“, sagte der Prokurist, auffallend
    leise gegenüber dem Schreien der Mutter. „Anna! An-
    na!“ rief der Vater durch das Vorzimmer in die Küche
    und klatschte in die Hände, „sofort einen Schlosser ho-
    len!“ Und schon liefen die zwei Mädchen mit rauschen- 
    den Röcken durch das Vorzimmer – wie hatte sich die
    Schwester denn so schnell angezogen? – und rissen die
    Wohnungstüre auf. Man hörte gar nicht die Türe zu-
    schlagen; sie hatten sie wohl offen gelassen, wie es in
    Wohnungen zu sein pflegt, in denen ein großes Unglück 
    geschehen ist.
    Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand
    [  ]
    zwar also seine Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm ge-
    nug klar, klarer als früher, vorgekommen waren, viel-
    leicht infolge der Gewöhnung des Ohres. Aber immer-
    hin glaubte man nun schon daran, daß es mit ihm nicht
     ganz in Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen.
    Die Zuversicht und Sicherheit, mit welchen die ersten
    Anordnungen getroffen worden waren, taten ihm wohl.
    Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen
    Kreis und erhoe von beiden, vom Arzt und vom
     Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, groß-
    artige und überraschende Leistungen. Um für die sich
    nähernden entscheidenden Besprechungen eine mög-
    lichst klare Stimme zu bekommen, hustete er ein wenig
    ab, allerdings bemüht, dies ganz gedämp zu tun, da
     möglicherweise auch schon dieses Geräusch anders als
    menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden
    sich nicht mehr getraute. Im Nebenzimmer war es in-
    zwischen ganz still geworden. Vielleicht saßen die Eltern
    mit dem Prokuristen beim Tisch und tuschelten, viel-
     leicht lehnten alle an der Türe und horchten.
    Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür
    hin, ließ ihn dort los, warf sich gegen die Tür, hielt sich
    an ihr aufrecht – die Ballen seiner Beinchen hatten ein
    wenig Klebstoff – und ruhte sich dort einen Augenblick
     lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich
    daran, mit dem Mund den Schlüssel im Schloß umzudre-
    hen. Es schien leider, daß er keine eigentlichen Zähne
    [  ]
    hatte, – womit sollte er gleich den Schlüssel fassen? –
    aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark; mit ihrer
    Hilfe brachte er auch wirklich den Schlüssel in Bewe-
    gung und achtete nicht darauf, daß er sich zweifellos
    irgendeinen Schaden zufügte, denn eine braune Flüssig- 
    keit kam ihm aus dem Mund, floß über den Schlüssel
    und trope auf den Boden. „Hören

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