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Drucke Zu Lebzeiten

Drucke Zu Lebzeiten

Titel: Drucke Zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Gesellschaft geladen war.
       „So!" sagte ich und
klatschte in die Hände zum Zei- chen der unbedingten Notwendigkeit
des Abschieds. Weniger bestimmte Versuche hatte ich schon einige ge-
macht. Ich war schon ganz müde.
       „Gehn Sie gleich hinauf?"
fragte er. In seinem Munde hörte ich ein Geräusch wie vom
Aneinanderschlagen der Zähne.
       „Ja."
      Ich war doch eingeladen, ich hatte es
ihm gleich ge- sagt. Aber ich war eingeladen, hinaufzukommen, wo ich
schon so gerne gewesen wäre, und nicht hier unten vor dem Tor zu
stehn und an den Ohren meines Gegenübers vorüberzuschauen.
Und jetzt noch mit ihm stumm zu werden, als seien wir zu einem langen
Aufenthalt auf diesem Fleck entschlossen. Dabei nahmen an diesem
Schweigen gleich die Häuser rings herum ihren Anteil, und das
Dunkel über ihnen bis zu den Sternen. Und die Schritte
unsichtbarer Spaziergänger, deren Wege zu erra- ten man nicht Lust
hatte, der Wind, der immer wieder an die gegenüberliegende
Straßenseite sich drückte, ein Grammophon, das gegen die
geschlossenen Fenster ir- gendeines Zimmers sang, – sie
ließen aus diesem Schwei- gen sich hören, als sei es ihr
Eigentum seit jeher und für immer.
      Und mein Begleiter fügte sich in
seinem und – nach einem Lächeln – auch in meinem
Namen, streckte die Mauer entlang den rechten Arm aufwärts und
lehnte sein Gesicht, die Augen schließend, an ihn.
      Doch dieses Lächeln sah ich
nicht mehr ganz zu Ende, denn Scham drehte mich plötzlich herum.
Erst an die- sem Lächeln also hatte ich erkannt, daß das ein
Bauern- fänger war, nichts weiter. Und ich war doch schon Mo- nate
lang in dieser Stadt, hatte geglaubt, diese Bauern- fänger durch
und durch zu kennen, wie sie bei Nacht aus Seitenstraßen, die
Hände vorgestreckt, wie Gastwirte uns entgegentreten, wie sie sich
um die Anschlagsäule, bei der wir stehen, herumdrücken, wie
zum Verstecken- spielen und hinter der Säulenrundung hervor
zumindest mit einem Auge spionieren, wie sie in Straßenkreuzun-
gen, wenn wir ängstlich werden, auf einmal vor uns schweben auf
der Kante unseres Trottoirs! Ich verstand sie doch so gut, sie waren ja
meine ersten städtischen Bekannten in den kleinen
Wirtshäusern gewesen, und ich verdankte ihnen den ersten Anblick
einer Unnach- giebigkeit, die ich mir jetzt so wenig von der Erde weg-
denken konnte, daß ich sie schon in mir zu fühlen be- gann.
Wie standen sie einem noch gegenüber, selbst wenn man ihnen schon
längst entlaufen war, wenn es also längst nichts mehr zu
fangen gab! Wie setzten sie sich nicht, wie fielen sie nicht hin,
sondern sahen einen mit Blicken an, die noch immer, wenn auch nur aus
der Ferne, überzeugten! Und ihre Mittel waren stets die gleichen:
Sie stellten sich vor uns hin, so breit sie konn- ten; suchten uns
abzuhalten von dort, wohin wir streb- ten; bereiteten uns zum Ersatz
eine Wohnung in ihrer eigenen Brust, und bäumte sich endlich das
gesammelte Gefühl in uns auf, nahmen sie es als Umarmung, in die
sie sich warfen, das Gesicht voran.
      Und diese alten Spaße hatte ich
diesmal erst nach so langem Beisammensein erkannt. Ich zerrieb mir die
Fin- gerspitzen an einander, um die Schande ungeschehen zu machen.

       Mein Mann aber lehnte hier noch
wie früher, hielt sich noch immer für einen
Bauernfänger, und die Zufrieden- heit mit seinem Schicksal
rötete ihm die freie Wange.
       „Erkannt!" sagte ich und
klopfte ihm noch leicht auf die Schulter. Dann eilte ich die Treppe
hinauf und die so grundlos treuen Gesichter der Dienerschaft oben im
Vorzimmer freuten mich wie eine schöne Überraschung. Ich sah
sie alle der Reihe nach an, während man mir den Mantel abnahm und
die Stiefel abstaubte. Aufatmend und langgestreckt betrat ich dann den
Saal.

    Der plötzliche Spaziergang

    Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen
zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock ange- zogen hat,
nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Ti- sche sitzt und jene Arbeit
oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man
gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein
unfreundliches Wet- ter ist, welches das Zuhausebleiben
selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei
Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstau- nen
hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Trep- penhaus
dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in
einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt,

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