Drucke Zu Lebzeiten
hast keine Reisen gemacht zu den großen Seen und auf
ihnen, die ich weiß nicht wo zu finden sind. Also ich bitte,
warum soll ich, ein schönes Mäd- chen, mit Dir gehn?"
„Du vergißt, Dich
trägt kein Automobil in langen Stö- ßen schaukelnd
durch die Gasse; ich sehe nicht die in ihre Kleider gepreßten
Herren Deines Gefolges, die Se-
gensprüche für Dich murmelnd in genauem Halbkreis hinter Dir
gehn; Deine Brüste sind im Mieder gut geord- net, aber Deine
Schenkel und Hüften entschädigen sich für jene
Enthaltsamkeit; Du trägst ein Taffetkleid mit plissierten Falten,
wie es im vorigen Herbste uns durch- aus allen Freude machte, und doch
lächelst Du – diese Lebensgefahr auf dem Leibe –
bisweilen."
„Ja, wir haben beide recht und,
um uns dessen nicht unwiderleglich bewußt zu werden, wollen wir,
nicht wahr, lieber jeder allein nach Hause gehn."
Zum Nachdenken für Herrenreiter
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen.
Der Ruhm, als der beste Reiter eines
Landes aner- kannt zu werden, freut beim Losgehn des Orchesters zu
stark, als daß sich am Morgen danach die Reue verhin- dern
ließe.
Der Neid der Gegner, listiger,
ziemlich einflußreicher Leute, muß uns in dem engen Spalier
schmerzen, das wir nun durchreiten nach jener Ebene, die bald vor uns
leer war bis auf einige überrundete Reiter, die klein gegen den
Rand des Horizonts anritten.
Viele unserer Freunde eilen den
Gewinn zu beheben und nur über die Schultern weg schreien sie von
den entlegenen Schaltern ihr Hurra zu uns; die besten Freunde aber
haben gar nicht auf unser Pferd gesetzt, da sie fürchteten,
käme es zum Verluste, müßten sie uns böse sein,
nun aber, da unser Pferd das erste war und sie nichts gewonnen haben,
drehn sie sich um, wenn wir vorüberkommen und schauen lieber die
Tribünen entlang.
Die Konkurrenten rückwärts,
fest im Sattel, suchen das Unglück zu überblicken, das sie
getroffen hat, und das Unrecht, das ihnen irgendwie zugefügt wird;
sie nehmen ein frisches Aussehen an, als müsse ein neues Rennen
anfangen und ein ernsthaftes nach diesem Kin- derspiel.
Vielen Damen scheint der Sieger
lächerlich, weil er sich aufbläht und doch nicht weiß,
was anzufangen mit dem ewigen Händeschütteln, Salutieren,
Sich-Nieder- beugen und In-die-Ferne-Grüßen, während
die Besieg- ten den Mund geschlossen haben und die Hälse ihrer
meist wiehernden Pferde leichthin klopfen.
Endlich fängt es gar aus dem trüb gewordenen Him- mel zu regnen an.
Das Gassenfenster
Wer verlassen lebt und sich doch hie und da
irgendwo anschließen möchte, wer mit Rücksicht auf die
Verände- rungen der Tageszeit, der Witterung, der
Berufsverhält- nisse und dergleichen ohne weiteres irgend einen
belie- bigen Arm sehen will, an dem er sich halten könnte, –
der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben. Und steht es
mit ihm so, daß er gar nichts sucht und nur als müder Mann,
die Augen auf und ab zwischen Publi- kum und Himmel, an seine
Fensterbrüstung tritt, und er will nicht und hat ein wenig den
Kopf zurückgeneigt, so reißen ihn doch unten die Pferde mit
in ihr Gefolge von Wagen und Lärm und damit endlich der
menschlichen Eintracht zu.
Wunsch, Indianer zu werden
Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich
bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder
kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen
ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf,
denn es gab keine Zügel, und kaum das Land
vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferde- hals und Pferdekopf.
Die Bäume
Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee.
Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man
sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind
fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.
Unglücklichsein
Als es schon unerträglich geworden war –
einmal gegen Abend im November – und ich über den schmalen
Tep- pich meines Zimmers wie in einer Rennbahn einherlief, durch den
Anblick der beleuchteten Gasse erschreckt, wieder wendete, und in der
Tiefe des Zimmers, im Grund des Spiegels doch wieder ein neues Ziel
bekam, und aufschrie, um nur den Schrei zu hören, dem nichts
antwortet und dem auch nichts die Kraft des Schreiens nimmt, der also
aufsteigt, ohne Gegengewicht, und nicht aufhören kann, selbst wenn
er verstummt, da öffnete sich aus
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