DS014 - Oase der Verlorenen
hatten, vorbeigefahren war, stand er wieder im Dunkel.
Weiter links hatte er eine schmale Zufahrt entdeckt. Auf bloßen Füßen huschte er lautlos hinein. Es war stockdunkel und roch süßlich nach faulenden Früchten. Er verhielt sich still und wartete ab, was Yuttal und Hadi-Mot tun würden. Er sollte es bald erfahren.
Im Dunkel vor ihm ertönte ein tückisches Flattern wie von Fledermausflügeln, und ein widerlicher Aasgeruch wehte herüber. Unglaublich schnell kam das unbekannte Etwas heran, und der Gestank wurde unerträglich.
Doc Savage wirbelte herum und floh. Zwar verfügte er über eiserne Nerven, aber auch über eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand, und der riet ihm, schleunigst das Weite zu suchen. Aber im Handumdrehen hatte ihn das Flatterwesen eingeholt. So verzweifelt er auch sprintete, er konnte ihm nicht entkommen.
Rechts und links der Zufahrtsgasse ragten glatte Ziegelmauern auf; die wenigen Tore und Fenster waren verriegelt oder vergittert. Doc Savage spürte, daß er mit den bloßen Füßen eine genoppte Eisenplatte berührte, und er bremste im Laufen jäh ab, bückte sich und wuchtete den eisernen Schachtdeckel auf, zwängte sich hinein und ließ ihn über sich zurückfallen. Er leuchtete mit der Stablampe und sah, daß er sich im Eingang zu einem Kabeltunnel befand.
Über seinem Kopf hörte er auf der Eisenplatte ein wildes Scharren und Kratzen, und durch die Ritzen am Rand der Platte drang der durchdringende Aasgestank zu ihm herunter. Doc Savage klammerte beide Bronzehände um den Ring, der unten an der Kanaldeckelplatte angebracht war, und hielt sich von unten fest. Gegen den Zug seiner sehnigen Arme hätte wohl niemand die Platte auf gebracht, es sei denn mit einem Hebekran.
Aus der Ferne waren leise Signalpfiffe zu hören. Sofort hörte das Kratzen und Scharren auf, und wieder war das eigenartige gespenstische Flattern zu hören. Offenbar reagierte des Flatterwesen auf die Pfiffe.
Doc Savage hing in dem Einstiegsschacht und lauschte. Als er mehrere Minuten lang nicht den leisesten Laut gehört hatte, kroch er wieder heraus und sah sich vorsichtig um. Yuttal und Hadi-Mot waren verschwunden, und mit ihnen das gespenstische Flatterwesen. Doc Savage fand keine Spur und keinen Anhalt, obwohl er die ganze Umgebung absuchte.
Schließlich winkte er ein vorbeikommendes Taxi heran. Dessen Fahrer war sprachlos, als da mitten auf dem Kai und mitten in der Nacht eine Herkulesgestalt in Badehose bei ihm einstieg. Doc Savage gab ihm die Adresse eines der höchsten Wolkenkratzer im Herzen Manhattans. Der Fahrer kannte die Adresse und korrigierte rasch seine Ansicht über den merkwürdigen Fahrgast.
»Sie sind Doc Savage, nicht wahr?« schluckte er. »Sagen Sie, Mister, hab ich vielleicht noch ’ne Chance, die Million Dollar zu kassieren? Die sollten dem gehören, der Sie als erster findet.«
»Ich habe doch aber Sie gefunden, nicht Sie mich«, sagte Doc. »Aber in jedem Fall sind Sie um mehrere Stunden zu spät dran.«
5.
Doc Savages New Yorker Hauptquartier nahm den 86. Stock eines Wolkenkratzers ein, der sich gut dreihundert Meter über Straßenniveau erhob.
Doc Savage bezahlte den Taxifahrer und betrat die Vorhalle. In seiner Badehose bot er dort einen merkwürdigen Anblick, aber es ging ja auf Mitternacht zu, in der Halle war niemand außer dem Fahrstuhlführer, und der war zu gut gedrillt, um eine Bemerkung fallenzulassen.
»Sind meine Freunde oben?« fragte Doc Savage.
»Ja, Sir«, entgegnete der Fahrstuhlführer. »Johnny und Long Tom sind schon länger da. Eben kamen auch Monk und Ham. Nur von Renny hab’ ich noch nichts gesehen.«
»Renny ist unterwegs«, sagte Doc Savage.
»Zwischen Monk und Ham war wieder mal schwer was im Gange«, sagte der Fahrstuhlmann. »Ich dachte schon, die beiden würden sich noch im Lift gegenseitig umbringen.«
Doc Savage zeigte sich durch diese Auskunft keineswegs beunruhigt. Es kam so gut wie niemals vor, daß Monk und Ham nicht miteinander stritten. Dabei waren sie die unzertrennlichsten Freunde, die ohne den anderen überhaupt nicht existieren konnten.
Der Streit ging noch auf ein Ereignis im letzten Weltkrieg zurück, woher ›Ham‹ – mit wirklichem Namen Brigadegeneral Theodore Marley Brooks – auch seinen Spitznamen hatte. Er und ›Monk‹ waren schon damals Kumpel gewesen, und zum Scherz brachte Ham ihm ein paar französische Schimpfworte bei, die, wie er Monk versicherte, die passende Anrede für einen
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