Dschungel-Gold
erhellte. Und obwohl sie schon bald neunzehn Jahre alt wurde und ihre Schönheit der eines bunten Schmetterlings glich, eines Salatura genutia oder eines Troides magellanus vielleicht – Vater García kannte sich da aus, denn er sammelte Schmetterlinge und besaß etliche Glaskästen mit seltenen Exemplaren –, hatte es bisher noch kein junger Bursche gewagt, sich der schönen Jessica zu nähern. Dafür sorgten die drei Brüder. Wenn die Familie einen Ausflug machte, vor allem an Sonntagen nach dem obligatorischen Besuch der Morgenmesse in der Kirche, war mindestens einer der Brüder immer in ihrer Nähe und wehrte Interessenten ab wie lästige Mücken.
Solche Ausflüge hatten meist eine stille Bucht am Meer zum Ziel, wo ein rot, blau und gelb bemaltes Holzboot angepflockt war, mit dem der Vater hinausruderte, um Fische zu fangen. Und Fische gab es genug, vor allem den schmackhaften Plattfisch Labahita , den bunten Banak , eine Delikatesse, oder den populärsten Fisch der Philippinen, den man wie jenen Inselhäuptling nannte, der den spanischen Eroberer und Entdecker Ferdinand Magellan umgebracht hatte: Lapu-Lapu .
Jessica begleitete also ihren Vater in das Orchideenhaus, um ihm die Farbeimer zu tragen, die Pinsel zu waschen und beim Bau eines wackeligen Gerüstes zu helfen. Wenn Enrique hoch oben unter dem Dach balancierte und die Decke mit hellgrüner Farbe tönte, saß Jessica meistens zwischen den Orchideen und strickte oder nähte aus bunten Stoffresten kleine Decken zusammen. Jeden Monat kam ein Händler bei den Garcías vorbei, holte die kleinen Kunstwerke ab und hinterließ einen willkommenen Nebenverdienst. Die Deckchen tauchten dann in den Touristenzentren als Handarbeiten wilder Bergstämme auf … die dämlichen Fremden zahlten Wahnsinnspreise dafür und hängten sie zu Hause an die Wände.
Bei dieser Arbeit an einem Flickendeckchen sah Juan Perón Toledo das zierliche Mädchen, als er wieder einmal seine Orchideen besuchte. Er blieb hinter ihr stehen, blickte auf ihre flinken, zarten Hände, auf das schwarze, glänzende Haar, auf die apfelgroßen runden Brüstchen unter der dünnen Bluse und auf die braunen, schlanken Beine.
Jessica, die nicht wußte, wer hinter ihr stand, drehte den Kopf, sah einen stämmigen älteren Mann in einem ungepflegten Anzug, legte das Deckchen zur Seite und sagte:
»Geh weiter. Glotz mich nicht an! Was ist hier zu sehen? Wenn dich mein Bruder erwischt, hast du eine schiefe Nase.«
»Wie heißt du?« fragte Toledo.
»Das geht dich nichts an!«
»Was machst du hier?«
»Ich helfe meinem Vater.« Sie zeigte mit dem Daumen zur Decke. »Dort ist er. Soll ich ihn rufen?«
»Das mache ich selbst.«
Toledo trat zwei Schritte zurück, winkte Enrique García zu und rief hinauf:
»Komm runter! Ja, komm runter. Es ist wichtig. Ich will deine Tochter heiraten.«
So, erzählte man sich, soll es sich zugetragen haben.
Die Hochzeit war kein großes gesellschaftliches Ereignis, keine prunkvolle Feier, kein Volksfest, wie man es von Toledo erwartet hatte.
Ganz still, im Kreise der Familie García, vollzog ein Priester im Gartensaal der Villa die Trauung. Nur der Bürgermeister von Davao war als Gast anwesend, um den behördlichen Akt vorzunehmen. Dafür erhielt er einen Scheck für ein neues Kinderheim, und auf dem weitläufigen Grund seines Anwesens ließ Juan Perón eine Kapelle bauen zu Ehren des Heiligen San Isidro, des Schutzheiligen der Farmer. Das entsprach der Einstellung Toledos. Er sagte immer: »Ich bin nur ein Farmer. Die einen ernten Reis, ich ernte Gold.«
Das alles lag ein halbes Jahr zurück.
Jessica, nun die reichste Frau Mindanaos, hatte das Regiment im Hause Toledo übernommen, von allen geliebt, von allen bewundert, von allen beneidet und von allen umschmeichelt. Juan Perón näherte sich dem fünfzigsten Geburtstag. Er hatte den Gipfel seines Lebensberges erreicht … er verfügte über einen Reichtum, den nur er kannte, und hatte eine wunderschöne junge Frau, die sein Herz verjüngte und sein Alter erwärmen würde.
Es war die Zeit gekommen, da er umdenken mußte.
Toledo, von jeher ein Mann des impulsiven Entschlusses, rief in der Bank an und verlangte Belisa García zu sprechen.
»Komm heute abend zu mir«, sagte er. »Um zwanzig Uhr.«
»Ist etwas mit Jessica?« fragte Belisa besorgt.
»Es ist alles in Ordnung.«
»Bekommt sie ein Kind?«
»Wir wünschen es uns. Wenn Gott unser Rufen erhört …«
»Soll ich allein kommen?«
»Ja.
Weitere Kostenlose Bücher