Dschungelkind /
Ende mehrere Kanus vertäut waren. Es waren nur noch wenige Augenblicke, dann würde ich das Ziel meiner langen Reise erreicht haben. Nach über fünfzehn Jahren war ich endlich zurück in Foida!
Ich sah in den schwarzen Himmel hinauf, genoss den Regen auf meinem Gesicht, und ein Glücksgefühl durchströmte mich, wie ich es schon seit Jahren nicht verspürt hatte. Als das Boot das Ufer erreichte, sprang Nakire mit dem Tau in der Hand an Land und schlang es um einen Pflock. Ich stand auf und merkte, dass meine Beine ganz steif geworden waren. Hastig streifte ich mir die mit Wasser vollgesogenen Turnschuhe ab und ging ebenfalls von Bord. Sofort sanken meine Füße in die weiche Erde ein, und Fusai nahm mich an der Hand, um mich hochzuziehen. Ich kletterte die schmale Böschung hinauf und sah mich um. Aber welche Enttäuschung! Niemand war gekommen, um uns zu begrüßen. Ich hätte es wissen sollen: Bei Regen verkriechen sich die Fayu immer in ihren Hütten.
Ich war müde und völlig erschöpft von dem anstrengenden Tag. In einer Stunde würde es bereits stockdunkel sein, und wir mussten uns beeilen, wenn wir unser Gepäck bis dahin ins Haus bringen wollten. Ich griff nach einer Tasche, doch jemand anders war schneller als ich. »Geh schon vor, Sabine. Die Zeit läuft uns davon«, rief Papa mir zu.
Also nahm ich meine Turnschuhe in die Hand und machte mich auf den Weg: Auf einer Brücke, die mitten in den nebelverhangenen Dschungel führte, begann der letzte Abschnitt meiner Fahrt.
Wir hatten die Brücke damals schlicht »Dschungelbrücke« genannt.
Sie war etwa 750 Meter lang und führte vom Flussufer über morastigen Grund hinauf ins Dorf. Sie stand auf unzähligen Holzpfählen, die sich zu beiden Seiten tief in den Schlamm bohrten und von denen jeweils zwei gegenüberliegende mit einem Brett verbunden waren. Zwischen den einzelnen Pfählen waren mehrere längere Bretter als Geländer angebracht. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit waren viele der Bretter morsch geworden oder fehlten ganz, was das Überqueren der Brücke nicht ganz leicht machte. Vor allem nicht bei Regen, da die ohnehin ausgetretenen Bretter nun auch noch extrem rutschig waren.
Die Planken der Dschungelbrücke
Der Tag neigte sich, und über dem Sumpf machte sich Dämmerlicht breit. Der Dschungel lag in tiefer Stille, nur das gelegentliche Quaken einiger Frösche drang aus dem dichten Unterholz zu uns herauf. Stumm hasteten wir voran.
Ich konzentrierte mich auf meinen Halt, im vollen Bewusstsein dessen, wie schnell die einbrechende Dunkelheit von diesem magischen Wald Besitz ergriff. Ich hörte die Schritte von Fusai dicht hinter mir. Die Brücke erschien mir endlos lang, und auch der Regen wollte nicht aufhören, auf uns herabzuprasseln.
Momentan ist Regenzeit,
dachte ich,
leider ungünstig für Fotos.
Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als ich im abendlichen Dunst die Umrisse eines schmalen Hauses vor mir erkannte. Wir hatten das Dorf erreicht. Endlich! Ein letzter Schritt, und ich hatte wieder festen Boden unter den Füßen. Ich sah mich nach Papa um, der gerade zu uns aufschloss, und folgte ihm zu dem Haus.
Das Gästehaus – meine neue Heimat im Dschungel
Wir erklommen die wenigen Stufen zur Veranda und standen gleich darauf in einem kleinen Raum; rechts von uns, gleich am Fenster, ein kleiner alter Tisch, an der Wand eine Tafel, auf die jemand »Willkommen zu Hause« geschrieben und darunter einen Smiley gezeichnet hatte. Gegenüber führte eine weitere Tür ins Schlafzimmer. In einer Ecke stapelten sich mehrere Kisten, und ich sah gerade noch, wie der Schatten einer Kakerlake darunter verschwand. Ich hasse Kakerlaken.
Papa entzündete eine Kerosinlampe. Der schwache Schein warf Schatten an die Wand und verlieh dem Raum eine unheimliche Atmosphäre. Draußen war die Welt in Dunkelheit getaucht, der Regen war in ein sanftes Nieseln übergegangen. Nun zeigte Papa mir auch die Küche und das Bad, beide winzig klein und sehr schlicht. Weil hier alles sehr beengt war, sollte ich in einem anderen Haus schlafen, ein Stück weiter den Hügel hinauf.
»Kann ich kurz duschen?«, bat ich Papa. Ich fühlte mich von der langen Reise furchtbar schmutzig.
Die Dusche bestand lediglich aus einer Holzplattform mit Wänden aus Plastik, als Beleuchtung musste eine Kerze ausreichen, die Papa auf ein schmales Holzbrett stellte. Das Wasser kam aus Fässern neben dem Haus, in denen das Regenwasser gesammelt wurde.
Mit einer Taschenlampe
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